Ringvorlesung. Das frühneuzeitliche Frauenzimmer (Literatur der Frühen Neuzeit und ihre kulturellen Kontexte. Vierzehnte Folge), Bochum
Das frühneuzeitliche Frauenzimmer (Literatur der Frühen Neuzeit und ihre kulturellen Kontexte. Vierzehnte Folge), Bochum
Ringvorlesung an der Ruhr-Universität Bochum im Sommersemester 2024
Montag 12–14 Uhr, HGB 20
Veranstaltet von Nicola Kaminski und Sven Schöpf
Der Titel der diesjährigen Frühneuzeit-Ringvorlesung klingt altmodisch, und altmodisch klang das Wort „Frauenzimmer“ auch schon 1878, als im vierten Band des Grimmschen Wörterbuchs der Artikel zu diesem Stichwort veröffentlicht wurde. Zugleich gibt dieser Wörterbucheintrag zu erkennen, daß das Wort „Frauenzimmer“ als spezifisch frühneuzeitliches etwas über den Status der Frau im 16., 17. oder früheren 18. Jahrhundert zu erzählen weiß. Zunächst „ein ort, dann eine mehrheit von hoffrauen, hernach von frauen überhaupt geltend“, trat aus dem Raum- und Kollektivbegriff „Frauenzimmer“ bei Martin Opitz 1622 erstmals „die vorstellung des individuums“ hervor, und zwar für „eine feine, gebildete frauensperson“. Als besondere Leistung des Ausdrucks „Frauenzimmer“, der „so seltsam und ungelenk […] aussieht“, hebt das Grimmsche Wörterbuch seine Inklusivität hervor: daß er „die vorstellungen jungfrau, ehfrau und matrone zugleich“ umfaßt. Der „bürgerstand“ ist in dem aus der höfischen Sphäre stammenden Wort, das ab 1730 sprachgeschichtlich Karriere macht, ausdrücklich eingeschlossen, während er „einer rohen bäuerin […] nicht zustehen“ kann, die hingegen „unter frauensperson, weibsperson, weibsbild mit einbegriffen wird“. „heutzutage“, so schließt der Artikel, „heiszen die frauen nicht mehr gern frauenzimmer, auch dies eigentlich vornehme wort hat die zeit wieder herunter gebracht.“ Beschäftigen soll uns aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen nicht nur die sozial- und gendergeschichtliche Reflexivität von Sprachgeschichte und Sprachgebrauch, sondern auch spezifisch weiblich codierte Gattungen, Schreibweisen, gesellige und künstlerische Spielräume ebenso wie (männliche oder weibliche) literarische Gestaltungen von Weiblichkeit in der frühen und späteren Frühen Neuzeit.
Im Mittelpunkt jeder Vorlesung steht ein überschaubarer Schlüsseltext, der eingehend auf seine kulturgeschichtliche Relevanz hin untersucht wird. Für einen Teil der Vorlesungseinheiten laden wir auswärtige Dozenten (Frauenzimmer selbstverständlich inbegriffen) ein – nicht nur aus den Philologien, sondern auch aus angrenzenden Disziplinen wie der Rechtsgeschichte oder der Theologie –, so daß Sie Gelegenheit bekommen, renommierte Frühneuzeitspezialisten auch anderer Universitäten kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Programm
15. April
Sven Schöpf (Bochum)
Ehe und Liebe in der Frühen Neuzeit. Ein Blick auf Gryphius’ Cardenio und Celinde. Oder Unglücklich Verliebete und darüber hinaus (zugleich Einführung in die Ringvorlesung)
22. April
Sandra Waldenberger (Bochum)
Das Schreiben von Frauen in der FNZ aus linguistischer Perspektive
29. April
Marina Beck (Erlangen)
Das „Frauenzimmer“ im frühneuzeitlichen Schlossbau
6. Mai
Benedikt Jeßing (Bochum)
Joh. Elias Schlegels „Die stumme Schönheit“
13. Mai
Bettina Full (Bochum)
„Le Muse sono donne“ - Boccaccio und die Frauen
20. Mai – Pfingstferien
27. Mai
Sven Schöpf (Bochum)
„Die Pietisterey im Fischbein-Rocke“
3. Juni
Iphigenie auf Tauris. In einer Mischung aus Schauspiel, Rezitation und Schilderung der Hintergründe im lockeren Dialog stellen Jutta Seifert (Warburg) und Markus von Hagen (Münster) Iphigenie auf Tauris in der Fassung von Johann Wolfgang von Goethe vor.
10. Juni
Katja Barthel (Osnabrück)
„Die versteckte Liebe im Kloster“ (1694) – Crossdressing von ,Frauenzimmern‘ und Genderkonstellationen im galanten Roman
17. Juni
Christian Meierhofer (Bonn)
Das galante Frauenzimmer. Variationen von Weiblichkeit im Roman um 1700
24. Juni
Arndt Kiehnle (Bochum): Die Sicherung von Ansprüchen gegen Dritte durch (,vornehmere‘) Frauenzimmer in der Frühen Neuzeit: „Eine Gans bleibt eine Gans ...“
1. Juli
Florian Bock (Bochum)
Was verstand der Aufklärer Friedrich Nicolai (1733-1811) unter dem „katholischen Augenaufschlag beym Frauenzimmer“ (1781)?
8. Juli
Nicola Kaminski - tba
15. Juli
Semestersynopse / Abschlussdiskussion