CfP/CfA Veranstaltungen

RECHTSENTWÜRFE IN LITERATUR ZUM ANTHROPOZÄN


Veranstaltungsdatum:

15.04.2025-16.04.2025

Deadline Abstract:

15.11.2024

Deadline Beitrag:

15.04.2025

RECHTSENTWÜRFE IN LITERATUR ZUM ANTHROPOZÄN

 

 WORKSHOP – INNSBRUCK – 16.-17. April 2025 - ONLINE

 

Zeitplan:

Einreichung der Beitragsvorschläge (knappes, aussagekräftiges Exposé Ihres Vorhabens mit bio-bibliographischen Angaben im Umfang von ca. 1-2 Seiten) bis 15. November 2024

Benachrichtigung über die Teilnahme: 30. November 2024

Termin des Workshops: 16. - 17. April 2025 - ONLINE

Einreichung der Beiträge für einen Sammelband als Ergebnis des Workshops: 30.9.2025

Geplantes Erscheinen des Sammelbandes (nach Begutachtung und Rückläufen): 2026

Verlag: noch zu bestimmen, Metzler Verlag oder Nomos Verlag

Zielsetzung des geplanten Workshops:

Der Workshop soll einen inspirierenden Rahmen für eine intensive Auseinandersetzung mit juristischen Anstößen und Entwürfen in Literatur zum Anthropozän bieten. Es können dabei Rechtsentwürfe, -ideen, -utopien, -fantasien in Klimafiktionen, Theorie- und Wirklichkeitserzählungen (s. weiter unten), in konstitutiven Erzählungen (s. weiter unten) oder sonstigen literarischen und nicht literarischen Formaten zum Thema Anthropozän zur Sprache kommen. Die Ergebnisse der Reflexionen sollen in einem Sammelband gebündelt werden.

Kontextualisierung

 

Nach Gabriele Dürbeck bezeichnet der Begriff Anthropozän

         

ein neues geologisches Zeitalter, in dem die Menschheit den dominanten geophysikalischen Einfluss auf das Erdsystem hat und daraus die Verantwortung des Menschen für die Zukunft des Planeten abgeleitet wird. Das Konzept enthält zugleich eine Aufforderung, die Stellung des Menschen zur Natur und im Kosmos neu zu bestimmen und verantwortlich mit begrenzten natürlichen Ressourcen umzugehen.[1]

Es kann kaum Zweifel darüber geben, dass zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg und spätestens seit dem Fall der Berliner Mauer (Bruno Latour) eine starke Akzeleration der schädigenden Auswirkungen der menschlichen Tätigkeiten auf das Erdsystem stattgefunden hat. Diese besorgniserregende Feststellung hat Paul Crutzen und Eugene Stoermer dazu veranlasst, das Zeitalter des Anthropozän auszurufen.[2]

Mit der planetar-lebensgefährlichen Entwicklung für Mensch und Natur beschäftigen sich seit den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr literarische und nicht literarische Texte, die dazu Stellung nehmen, Prognosen anstellen, Tatsachen berichten, wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln, Fakten in Fiktionen verarbeiten, dystopische Endszenarios entwerfen uvm. In vielen dieser Texte tauchen rechtliche Problemstellungen, Fragen und Mankos, aber auch Vorschläge, Ideen und Entwürfe zu rechtlichen Antworten auf, die explizit oder implizit vermittelt werden. Wenn Andri Snaer Magnason in Wasser und Zeit. Eine Geschichte unserer Zukunft (2021) vorschlägt, den Begriff Ökozid einzuführen,[3] so kann dies zu Überlegungen auf juristischer Ebene führen, wie ein solcher Vorschlag umgesetzt werden könnte. Wenn Gabriele Kiefer in ihrem Roman Platz der Engel (2019) den Energiepass einführt,[4] so könnte dies ebenfalls zu juristischer Kreativität veranlassen. Neben expliziten Anregungen können auch implizite Entwürfe von rechtlichen Neuordnungen aufgegriffen werden. Beispielsweise stellt Heiko von Tschischwitz in Die Welt kippt (2022) die Idee in den Raum, dass Kapitalismus durch Recht dazu angehalten werden könnte, dem Umweltproblem zu entgegnen.[5] Bruno Latour besteht auf dem Ende der Dialektik zwischen dem Menschen als Subjekt und der Erde als Objekt[6]: Eine solche perspektivische Eröffnung könnte dazu anregen, über den Status des ‚Rechtssubjekts‘, oder noch viel allgemeiner, über einen Ausnahmezustand aufgrund der Dringlichkeit der Lage zu räsonieren. Aurélien Barrau fordert in L’Hypothèse K. (2023) die Priorisierung der Umweltkatastrophe als Forschungsgegenstand[7]: Dies könnte zu Überlegungen zur Wissenschaftsregulierung führen. Die Liste möglicher Inspirationsquellen ist lang.

Unter literaturwissenschaftlicher Perspektive lassen sich solche Rechtsdiskurse in literarischen Fiktionen, Theorieerzählungen, konstitutiven Erzählungen, in nicht literarischen Wirklichkeitserzählungen uvm. auffinden. Während in Fiktionen reale Fakten einfließen können, aber nicht müssen, beziehen sich, nach Christian Klein und Matías Martinez, Wirklichkeitserzählungen allein auf reale Begebenheiten. Für juristische Diskurse bieten sich dabei insbesondere die normativen Wirklichkeitserzählungen an: „Bei diesem Typ wird ein erwünschter Zustand von Wirklichkeit geschildert mit dem Ziel, eine bestimmte (gesellschaftliche oder individuelle) Praxis zu regulieren, das geschieht durch exemplifikatorische Darstellungen (menschliche Handlungen)“.[8]

Als eine Erzählform, die imstande sei, verschiedene Wissensfelder interdisziplinär zu verbinden, schlagen Stefan Böschen und Willy Viehöver die Theorieerzählung vor: „Eine Theorieerzählung handelt von der Konstruktion, Konfiguration und Deutung von Wissensobjekten. In den dabei erzählten Plots geht es um die Konfiguration von epistemischen Perspektiven, Qualitäten und Tugenden, in welcher sich die Deutungskompetenz einer Wissenskultur bei der Behandlung ihrer Gegenstände ausdrückt, und epistemische Autorität einfordert“.[9]

Als mögliche Form der kritischen Erzählung zur Verfasstheit der Welt, die auf die Referentialität Mensch/Natur fokussiert, sieht Simon Probst die konstitutive Erzählung zum Anthropozän.[10]

Willkommen sind Beiträge, die die expliziten und impliziten Rechtsdiskurse in literarischen und nicht literarischen Texten zum Anthropozän aufgreifen und diese explizieren. Es liegt mir dabei besonders an der Herausstellung der interdisziplinären Verknüpfung zwischen Literatur zum Anthropozän und Recht, im Sinne von Literatur als ‚suggestive‘ Rechtsquelle, um aufzuzeigen, inwiefern Literatur auf rechtliche Leerstellen und/oder mögliche juristische Antworten verweist.

Ich freue mich über Ihre Beitragsvorschläge, die Sie bitte bis zum 15. November 2024 an folgende Mail-Adresse senden:

 Alexandra.Juster@uibk.ac.at

Bei Nachfragen melden Sie sich gerne per Mail.

Dr. Mag. jur. Alexandra Juster

Universität innsbruck – Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft

Agnes Heller Haus – Innrain 52a

A - 6020 Innsbruck

https://www.uibk.ac.at/vergl-litwiss/personen/juster/


[1] Gabriele Dürbeck. „Das Anthropozän erzählen: Fünf Narrative“. Aus Politik und Zeitgeschichte: Klima, 21-23 (2018): S. 11-17, hier: S. 11.

[2] Crutzen, Paul / Stoermer, Eugene F.  „The ‚Anthropocene‘“. Global Change Newsletter 41, 2000, S. 17-18.

[3] Magnason, Andri S. Wasser und Zeit. Eine Geschichte unserer Zukunft. Berlin. Insel Taschenbuch, 2021, S. 230.

[4] Kiefer, Gabriele. Platz der Engel. Zweitausendeins, 2019, S. 31.

[5] Von Tschischwitz, Heiko. Die Welt kippt. List Verlag, 2022, S. 54.

[6] Bruno Latour. Face à Gaia : Huit conférences sur le nouveau régime climatique. Paris: La Découverte, 2015. S. 36.

[7] Barrau Aurélien. L’Hypothèse K. Paris. Éditions Grasset & Fasquelle, 2023, S. 128.

[8] Klein Christian / Martínez Matías (Hg.) Wirklichkeitserzählungen. Felder, Formen und Funktionen nicht-literarischen Erzählens. Stuttgart / Weimar. J.B. Metzler Verlag, 2009, S. 6.

[9] Böschen, Stefan / Viehöver, Willy. „Narrative Autorität und Wissensproduktion“. Safia Azzouni / Stefan Böschen / Carsten Reinhardt (Hg.). Erzählung und Geltung. Wissenschaft zwischen Autorschaft und Autorität. Weilerswist. Velbrück, 2015, S.  315.

[10] Probst, Simon. Instauration der Erde. Konstitutives Erzählen im Anthropozän und die kritischen Zonen der Literatur. Berlin. J.B. Metzler, 2023, S. 31.

Veranstaltungsort

Innsbruck, Österreich

Organisation

Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Institut für Vergleichende Literaturwissenschaften
Beitrag von: Alexandra Juster
Veröffentlicht am: 11.10.2024
Letzte Änderung: 07.06.2025, 19:45

Vorgeschlagene Zitierweise:
"RECHTSENTWÜRFE IN LITERATUR ZUM ANTHROPOZÄN" (CfP/CfA Veranstaltungen), avldigital.de, veröffentlicht am: 11.10.2024. https://avldigital.de/de/vernetzen/fachinformationen/call-for-papers/rechtsentwuerfe-in-literatur-zum-anthropozan