CfP/CfA Veranstaltungen

Workshop für Nachwuchswissenschaftler*innen: Ars dictaminis im Spannungsfeld von Rhetorik und Poetik. Wissensspeicher und ihre kreative Verwendung, Göttingen

Beginn
11.09.2024
Ende
11.09.2024
Deadline Abstract
15.04.2024

Ars dictaminis im Spannungsfeld von Rhetorik und Poetik Wissensspeicher und ihre kreative Verwendung 

Workshop für Nachwuchswissenschaftler*innen 

in Zusammenarbeit der Universität Bielefeld (Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft), der Georg-August-Universität Göttingen (Seminar für Deutsche Philologie; Zentrum für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung), dem Karlsruher Institut für Technologie (Institut für Germanistik) sowie der Wolfram von Eschenbach-Gesellschaft 

11. September 2024

Universität Göttingen 

Organisation: Julia Gold (Bielefeld), Pavlina Kulagina (Göttingen)

Call for papers

Das Verhältnis von Literatur und Wissen in der Vormoderne wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder in den Blick genommen. So gehört die Beantwortung der Frage, wie sich diskursiv vermitteltes normatives Wissen zur narrativen Praxis verhält, zu einer der zentralen Aufgaben wissenspoetologischer Untersuchungen. Eine Disziplin, deren Öffnungen hin zu literarischen Texten für die germanistische Mediävistik ebenso vielversprechend wie wenig erforscht erscheint, ist die mittelalterliche Briefstillehre: die ars dictaminis. Versuche einer Kodifizierung reichen bis ins 11. Jh. zurück; im Hochmittelalter gelangt die ars dictaminis zu einem ersten Höhepunkt. In deutscher Sprache wird sie vor allem seit dem Spätmittelalter rege rezipiert. 

Eine gewisse Spannung zwischen ars dictaminis – der institutionalisierten Lehre – und ars dictandi – den Lehrbüchern und Traktaten – bedenkend ist die Frage nach dem Einfluss der ars dictaminis auf andere kulturelle Praxen des Mittelalters interessant. Dieser geht erheblich über das ‚eigentliche‘ Briefwesen hinaus und kann auf ein breites Spektrum schriftliterarischer Kommunikation bezogen werden. Bedeutsam ist dabei vor allem, wie sich das Verhältnis von Rhetorik und Poetik darstellt, dessen Erforschung ein zentrales Forschungsdesiderat darstellt. 

Der Nachwuchsworkshop setzt hier an, indem er dieses besonders wirkmächtige Feld der Kommunikationskultur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit beleuchtet. In Auseinandersetzung mit den normativen Vorgaben der artes dictaminis und ihrer kreativen Verwendung sucht er die Zusammenhänge von und Relationen zwischen historischen Wissensordnungen/-strukturen und narrativen Praktiken zu beschreiben und zu deuten. Aufgegriffen werden damit rezente Ansätze der interdisziplinären (v.a. germanistischen, latinistischen und geschichtswissenschaftlichen) ars dictaminis-Forschung, wobei zwei Schwerpunkte gesetzt werden: 

1.) Erstens fokussiert der Workshop die Geschichte der ars dictaminis und ihrer Medialität. Welche Wissensordnungen der handschriftlichen hochmittelalterlichen Textzeugnisse sind besonders wirksam? Was wird handschriftlich prominent tradiert, was schafft den ‚Sprung‘ in den Druck? In welcher Weise 2 ändern sich Systematisierungen und Präsentationsformen bei der Überführung von der Handschrift in den Druck? Wie wird das komplexe theoretische Wissen, werden die Regeln der rhetorischen Kunst in praktische, an konkrete Gebrauchskontexte angepasste Formulare verwandelt? Neben der Produktionsseite ist dabei auch die Rezeptionsseite zu berücksichtigen, muss der spezifische Zuschnitt der Texte doch stets mit Blick auf einen (intendierten) Adressaten(kreis) gedacht werden. Auswahl, Anordnung und Funktionalisierung des Wissens erscheinen so in einer je neu zu bestimmenden Text-Kontext-Relation. 

2.) Zweitens widmet sich der Workshop der Poetik: Wie wird die ars dictaminis in narrative Texte integriert? Welche Funktion erfüllt sie im jeweiligen textuellen Gefüge? Das Einspielen der ars dictaminis im Sinne eines normativen Wissens über regelgeleitete Kommunikation in narrative Texte – zu nennen wären prominente Beispiele wie der Alexanderroman, der Willehalm von Orlens Rudolfs von Ems sowie Heinrich Wittenwilers Ring – zeugt davon, dass kunstgerecht abgefasste Briefe ganz verschieden eingesetzt werden können, um übergeordnete handlungsbezogene Themenkomplexe, aber auch poetologische Fragen zu verhandeln. Grundsätzlich gefragt: Wie lassen sich die Auswirkungen einer inserierten ars dictaminis mit Blick auf narrative Texte fassen – und zwar in Hinblick auf die Systematisierung und Organisation des präsentierten Wissens einerseits sowie auf die Strukturen des narrativen Textes andererseits? Wird das inserierte Wissen anders, weil praxeologisch ausgerichtet, dargeboten und wie lässt sich diese Wissenstransformation beschreiben? Da die Brieflehren auf Prosatexte bezogen sind, scheint zudem die Anverwandlung der Prosaregeln für den Vers und ihre spezifische Gestaltung relevant – oder, wie mit Blick auf Johannes Hartliebs Alexanderroman zu zeigen wäre, die nochmalige Weiterführung vom Vers zurück in die Prosa. 

Der Workshop, der sich dezidiert an Nachwuchswissenschaftler*innen richtet (Masterstudierende, Doktorand*innen und Post-Docs), will mit Hilfe von Textpatenschaften in ausgewählte Texte der ars dictaminis sowie in narrative Textbeispiele einführen und diese gemeinsam diskutieren. Aufgerufen, sich zu bewerben, sind all jene, die sich grundlegend für die Bezüge von Wissensordnungen und Literatur interessieren und die sich mit dem Forschungsfeld der mittelalterlichen ars dictaminis vertraut machen möchten. Darüber hinaus freuen wir uns über Bewerbungen von Wissenschaftler*innen, die sich momentan mit der mittelalterlichen ars dictaminis, ihrer Edition und/oder ihrer produktiven Anverwandlung in narrativen Texten beschäftigen. Der Workshop ist der Tagung der Wolfram von Eschenbach-Gesellschaft 2024 vorgelagert und findet am 11.09.2024 von 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr an der Universität Göttingen statt. Am Vortag, der als Anreisetag anvisiert ist, sind ein Empfang sowie ein gemeinsames Abendessen geplant. Die Teilnehmenden erhalten im Vorfeld einen Reader zur Vorbereitung. Reise- und Übernachtungskosten werden von der Universität Bielefeld übernommen. 

Bewerbungen mit kurzem Lebenslauf sowie einem Motivationsschreiben (ca. 1/2 Seite), aus dem ggf. auch bereits hervorgeht, zu welchem Thema Sie eine Textpatenschaft übernehmen wollen würden, richten Sie bitte bis zum 15.04.2024 an: julia.gold@uni-bielefeld.de und pavlina.kulagina@uni-goettingen.de.

Contact Information

Julia Gold (julia.gold@uni-bielefeld.de) und Pavlina Kulagina (pavlina.kulagina@uni-goettingen.de).

Contact Email

pavlina.kulagina@uni-goettingen.de

URL

https://www.wolfram-von-eschenbach-gesellschaft.de/ueber-uns/veranstaltungen/wo…

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Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literaturdidaktik, Literaturgeschichtsschreibung (Geschichte; Theorie), Poetik, Rhetorik

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Georg-August-Universität Göttingen
Datum der Veröffentlichung: 04.03.2024
Letzte Änderung: 04.03.2024