»Verteidigung der Demokratie«. Hermann Brochs amerikanische Exilerfahrung und die Aktualität seines politischen Denkens
Ort: ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, Aufgang B, 3. Etage
Organisiert von Paul Michael Lützeler (St. Louis), Daniel Weidner (ZfL/HU Berlin)
Gefördert durch die VolkswagenStiftung, Hannover, veranstaltet durch das Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL) in Verbindung mit dem Internationalen Arbeitskreis Hermann Broch
Hermann Broch emigrierte 1938 von Österreich über England in die USA. Bis dahin vor allem als Romancier hervorgetreten, widmete er sich in den Jahren dieses Exils vor allem der Politik: der politischen Tätigkeit in zahlreichen Emigranteninitiativen und Projekten und der politischen Theorie in dem großen Projekt einer »Massenwahntheorie« und einer Reihe von politischen Schriften, die nicht nur den Erfolg der ›totalitären‹ Regimes zu erklären suchen, sondern auch an einer Konzeption der Demokratie arbeiten, die, so Broch, gegen jene Regimes nur dann bestehen können werde, wenn sie neu und anders begründet werde.
Obwohl diese Überlegungen zu Brochs Lebzeiten nur geringe Wirkung hatten, sind sie gerade heute wieder aktuell: Angesichts von Populismus und Autokratie, von ›fake news‹, Politikverdrossenheit und Krise der Demokratie erlauben sie eine interessante und komplexe Perspektive auf zentrale Theoriezusammenhänge von Demokratie, Menschenrechten, Universalismus, Massengesellschaft und Totalitarismus und können zum Anlass werden, die wichtigen Fragen nach den Grundlagen unserer politischen Ordnung zu verhandeln – gerade in der Krise. Dass es sich dabei um eine transatlantische Konstellation handelt – Broch betont immer wieder, dass er ohne die amerikanische Erfahrung niemals verstanden hätte, was Demokratie bedeute –, macht sie nur um so aktueller. Das Symposium diskutiert Brochs politisches Denken im Kontext der zeitgenössischen Debatte; sie fragt nach Herkünften und Adressen seiner Überlegungen ebenso wie nach ihrer Aktualität heute.
Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Voranmeldung ist nicht nötig.
Programm
Mittwoch, 03.06.2020
18.30 Öffentlicher Abendvortrag
- Paul Michael Lützeler (Washington University in St. Louis, Vorsitzender des Internationalen Arbeitskreises Hermann Broch): Brochs Überlegungen im amerikanischen Exil zur »Re-education« in Deutschland
Donnerstag, 04.06.2020
09.30–10.00
- Eröffnung und Einführung
10.00–12.00
- Doren Wohlleben (Universität Marburg): Erziehung zur Demokratie. Brochs Ideen zum Projekt einer Internationalen Universität
- Barbara Picht (ZfL): Wissensnetzwerke des Exils. Brochs Korrespondenzen und Zeitschriftenkontakte
12.30–13.30
- Sebastian Wogenstein (University of Connecticut): Das Recht auf Recht. Broch on Human Rights in Context
15.00–17.00
- Doerte Bischoff (Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur, Universität Hamburg): Die Gemeinschaft der Staatsbürger. Demokratische Modelle in Brochs Exilromanen
- Kirk Wetters (Yale University, New Haven): Hermann Broch and Post-Weberian Theory
17.30–19.30
- Christoph Zeller (Vanderbilt University, Nashville): The Dark Side of Words. Political Criticism in Broch’s »The Death of Virgil«
- Agnieszka Hudzik (Freie Universität Berlin): »The Death of Virgil« im komparatistischen Kontext
Freitag, 05.06.2020
09.30–11.30
- Alice Staskova (Universität Jena): Hermann Brochs »Theorie der Demokratie« (1941) und der Untergang des Fiktionalismus
- Christian Borch (University of Copenhagen): Broch and Avalanche Modernity. On the Twilight State and Tensional Individuality
12.00–13.00
- Udi Greenberg (Dartmouth College, Hanover): The Afterlife of Weimar Thought. Broch, Religion, and Politics in the United States
14.00–16.00
- Martin Klebes (University of Oregon, Eugene): Law and Consciousness. Broch on Democratic Propaganda
- Daniel Weidner (ZfL/HU Berlin): »Irdisch absolut«. Hermann Brochs Kritik der Politischen Theologie
16.30–18.30
- Patrick Eiden-Offe (Ruhr-Universität Bochum): Essayismus und Politik. Brochs politische Aufsätze im Kontext der frühen Nachkriegszeit
- Eva Geulen (ZfL/HU Berlin): Rom rühmen. Broch und Arendt