Transzendental obdachlose Jugend? Sinnsuche, Sinnfragen, sinn-volle Praktiken der jungen Generation in den ersten Nachkriegsjahren (1945-1949)
Tagung des Archivs der deutschen Jugendbewegung vom 22.–24.10.2021
Prof. Dr. Wolfgang Braungart (Bielefeld), Dr. Gabriele Guerra (Rom), Dr. Justus H. Ulbricht (Dresden)
Von „Sinnfragen“, von Weltanschaulichem war in der Forschung zu den frühen Nachkriegsjahren bislang wenig die Rede, obwohl man meinen sollte, dass es gerade damals einen großen Bedarf an Sinn und Trost, auch an Religion und „Religioidem“ (Simmel) gegeben haben muss. Die „junge Generation“ hatte sich mit einer nie dagewesenen „transzendentalen Obdachlosigkeit“ auseinanderzusetzen. Wenn sie das denn wirklich tat! Wie ging sie mit der Schuldfrage um? Griff sie dabei auf das zurück, was sich in Literatur, Philosophie, Theologie „bewährt“ hatte? Erinnerte sie sich wieder an die Institutionen der Religionund wollte sie dort einen Platz finden? In welcher Weise formierte sich kirchlich-konfessionelle Jugendarbeit; und suchten Jugendliche dort ihr Selbstverständnis und ihre Selbstverortung? Oder schloss die Jugend auch an Artikulationsformen nicht-institutionalisierter Sinn-Suche an? Erfand sie neue? Suchte sie neue Semantiken? Initiierte sie neue, auf „Sinn“ gerichtete Kommunikationsprozesse? Wo, wie, in welchem Umfang? Welche Medien und Praktiken, Performanzen und Rituale boten sich ihr an? Vermuten könnte man, dass gerade Kunst und Literatur, Architektur und Natur dazu dienten, neue sinn-volle, womöglich spirituelle Erfahrungen zu machen: War das so? Nahm Jugend den Charakter eines Sondermilieus an, um sich abzugrenzen von denen, die die Katastrophe zu verantworten hatten? Fragen zuhauf für die Archivtagung 2021!
Programm
Freitag, 22. Oktober 2021
19.00 h Begrüßung
Susanne Rappe-Weber (Witzenhausen) /
Eckart Conze (Marburg)
Jugend ohne Sinn? Überlegungen zur Einführung
Wolfgang Braungart (Bielefeld)
“...und was machen wir nun, wir Mörder aller Mörder”. Sinnsuche und Krisengefühle nach dem letzten Weltkrieg”
Justus Ulbricht (Dresden)
20.30 h Geselliger Abend im Archiv
Samstag, 23.Oktober 2021
Grundlegendes
9.00 h Jugendsoziologie nach 1945
Hartmann Tyrell (Bielefeld)
An die deutsche Jugend: Antworten auf nicht gestellte Fragen
Meinolf Schumacher (Bielefeld)
11.00 h Kaffeepause
Fallstudien I
11.30 h Sinnsuche nach 1945 im Spiegel der Gruppenbücher im Archiv der deutschen Jugendbewegung
Gloria Colombo (Mailand, Italien)
12.30 h Mittagspause
14.00 h Gebt der deutschen Jugend eine Chance! Ministerialrat Heinrich Hassinger und die Jugendpflege in Württemberg-Baden
Viktor Fichtenau (Heidelberg)
Ästhetischer Sinn? Jugendbewegung nach 1945 als ästhetisches System. Thesen und Überlegungen aus einem laufenden Forschungsprojekt
Lucia Thiede und Marja Kersten (Bielefeld)
16.00 h Kaffeepause
Fallstudien II
16.30 h "Und doch: es würden, mein ich, ein Plato, Hölderlin und Nietzsche nicht nur gelächelt haben". Jugend und Sinnstiftung in Paul Schempps frühen Nachkriegstexten
Nils Rottschäfer (Bielefeld)
Moralisch verletzt. Junge Soldaten in der deutschen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur
Matthias Buschmeier (Bielefeld)
Schuld und Sinnfragen in der frühen Nachkriegslyrik - am Beispiel von Inge Müllers Gedichtband „Wenn ich schon sterben muß“
Saskia Fischer (Hannover)
18.30 h Abendessen
19.30 h Einführung und Präsentation des Filmes: Roberto Rossellini: Deutschland im Jahre Null (1947)
Gabriele Guerra (Rom, Italien)
Sonntag, 24. Oktober 2021
Fallstudien III
9.00 h „Es lebe Christus in deutscher Jugend!“ Akteure der katholischen Jugendverbandsarbeit im Bistum Augsburg
Viola Kohlberger (Augsburg)
9.45 h Kaffeepause
Konzept „Jugend nach 1945“
10.15 h Jugend – Selbstverständnisse, Zuschreibungen,
Erwartungen, Neuorientierungen und die Sinnfrage
Rainer Kolk (Bonn)
Schlussdiskussion
12.00 h Ende der Veranstaltung
Anfragen und Anmeldungen (bis 18.10.2021):
Archiv der deutschen Jugendbewegung
Burg Ludwigstein
37214 Witzenhausen
Tel. 0 55 42 – 50 17 20
Fax 0 55 42 – 50 17 23
E-Mail: archiv@burgludwigstein.de
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