Sprechwerkzeuge. Medialität und Aura der Stimme

„Es gibt keine menschliche Stimme auf der Welt, die nicht Objekt des Begehrens wäre – oder des Abscheus: Es gibt keine neutrale Stimme.“ (R. Barthes)

Der Workshop zielt auf Sprech-Werke im Wortsinn, also nicht auf Lesungen von Schrifttexten, sondern auf die Autorschaft von Mund zu Ohr. Gegenstand sind freie Erzählungen, aber auch Hörspiele aus frei gesprochenem Material und offene Interviews. Überall begegnet die vergegenwärtigende Emotionalität des oral Spontanen, das beidseitige Ausgeliefertsein der Stimme in ihrer Intensität und Intimität.

Besondere Beachtung soll der individuellen Stimme als Sprechwerkzeug zukommen.
Als „Schwellenphänomen“ (Barthes) zwischen Leib und Geist, Index und Zeichen versieht sie die Werke mit Sinn und Sinnlichkeit, in der medialen Aufzeichnung zudem mit einer akusmatisch-auratischen Qualität. Dabei bleibt im Hallraum zwischen Körper und Diskurs gegenüber dem Transkript ein schwer greifbares Mehr, das sich „jeder Wissenschaft entzieht“. Wirklich? Der Workshop unternimmt einen Versuch. Zenrale Fragen, die vielstimmige Antworten suchen, könnten lauten:

• Welcher Sinnüberschuss wird durch die Stimme generiert?
• Wie lässt sich ihre affektive Wirkung adäquat beschreiben?
• Welche Rolle spielen akustische „punctum“-Effekte?
• Inwiefern stellt frei erzählte Literatur den traditionellen Werkbegriff infrage?
• Wie reflektiert man die multiple Autorschaft des Interviews? Oder jene, die qua Schnitt, Regie und Postproduktion entsteht?
•  Was gewinnt und verliert die menschliche Stimme in der Medienkonkurrenz mit ihren algorithmischen Modifikationen und Attrappen?

Der Workshop bietet Raum für einen Austausch zwischen Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft sowie der audioliterarischen Praxis.

Am Freitag, den 1.12. um 19:30 Uhr findet eine öffentliche Abendveranstaltung "Stimmen hören" mit Klaus Sander (supposé) im LeseRaum in der Akazienalle statt.