CfP/CfA Veranstaltungen

Jahrbuch Exilforschung 2024. Exil und Emotionen

Beginn
16.02.2024
Ende
17.02.2024
Deadline Abstract
01.11.2023
Deadline Beitrag
31.01.2024

Call for Papers Jahrbuch Exilforschung 42 (2024): Exil und Emotionen

Die Erfahrung des Exils wird kulturhistorisch seit der Antike mit dem Affekt der Trauer und der Klage kodiert, wo nicht faktisch gleichgesetzt (vgl. Psalm 137, Ovid: Tristia). Spätestens ab dem 18. Jahrhundert kommt die Nostalgie als potentiell pathologische Sehnsucht nach dem Herkunftsort, der emphatisch besetzten Heimat, hinzu. Diese traditionell an Verbannung wie Migration geknüpften Emotionen mit ihren ästhetischen Gestaltungsmustern werden im Literatur- und Kunstschaffen des NS-Exils vielfach aufgegriffen. Gleichzeitig findet darin eine differenzierte Auseinandersetzung mit Emotionen statt, in der die kanonische Verbindung von Exil mit Trauer, Klage, Einsamkeit und Heimweh aktualisiert, reflektiert und erweitert wird.

Das Jahrbuch Exilforschung 2024 fragt nach der ganzen Spannbreite von Emotionen, die in Literatur, Musik und anderen Kunstformen in Zusammenhang mit der Exilerfahrung artikuliert werden. Während gegenwärtig in Psychologie, Medizin und Soziologie die emotionalen und psychosozialen Auswirkungen von Flucht und Migration auf die Betroffenen intensiv beforscht werden, wurden die psychischen Folgen des Exils bis weit in die Nachkriegszeit hinein kaum systematisch erfasst oder behandelt. Aus den aktuellen Forschungen lassen sich nun auch neue Erkenntnisse über die emotionalen Auswirkungen des NS-Exils gewinnen. Dabei könnten auch Briefe, Tagebücher und andere Aufzeichnungen eine interessante Quelle sein. Gleichzeitig ist zu prüfen, inwiefern Literatur und Kunst, in denen Emotionen aufgezeichnet wurden, lange bevor sie wissenschaftlich systematisch erfasst wurden, eine Art Archiv für die historische Erforschung von Emotion und Exil darstellen.

Erwünscht sind Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen (Literatur-, Kultur-, Musik-, Film-, Theater-, Kunst-, Geschichtswissenschaften, Soziologie, Psychologie) insbesondere – aber nicht ausschließlich – zu:

‒ Emotionen gegenüber dem Herkunftsland. In kritischer Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung gilt es dabei, die Ambivalenz von Emotionen stärker als bislang zu beleuchten und neben Trauer und Heimweh nach Ausdrücken von Unversöhnlichkeit, Wut, Hass und Rache zu forschen. Dabei verdienen Publikations- und Aufführungskontexte sowie Adressat:innenschaft besondere Aufmerksamkeit: Welche Gefühle wurden wann und wem gegenüber in welcher Sprache kommuniziert oder eben unterdrückt und zensiert? Exemplarisch sei Mascha Kalékos Gedicht „Hear Germany“ (dt.: „Höre, Teutschland“) aus dem Exil-Band Verse für Zeitgenossen (1945) genannt, das in der späteren deutschen Ausgabe fehlt.

‒ Emotionen gegenüber den Exilländern. Sie wurden bislang weit weniger erforscht und können ganz unterschiedlich ausgedrückt werden: So markierte Hilde Domin mit ihrem Künstlerinnennamen eine auch nach der Rückkehr nach Deutschland fortbestehende Verbindung zu ihrem Exilland Dominikanische Republik. Stefan Zweig verfasste 1941 aus Dankbarkeit gegenüber seinem Exilland die verklärenden Schrift Brasilien. Ein Land der Zukunft.

‒ Transgenerationeller Dimension und Weitergabe emotional besetzter Erinnerungen. ‒ intertextuellen und interkulturellen Bezügen zwischen diversen Exil-Erfahrungen, emotional besetzte Referenzen auf andere Exilkünstler:innen und -autor:innen.

‒ Emotionen gegenüber Exil und Emigrierten in Nachkriegsdeutschland und -österreich. ‒ Gestaltung und Einsatz von Emotionen in Gegenwartstexten und -filmen zum Thema Exil.

Vorschläge für Beiträge im Umfang von max. 40.000 Zeichen mit Titel, halbseitigem Abstract und Kurz-CV bitte bis 1. November 2023 an: esther.kilchmann@uni-hamburg.de und sebastian.schirrmeister@uni-hamburg.de.

Die Abgabefrist für die Beiträge ist der 31. Januar 2024, diese werden in einem digitalen Workshop am 16./17. Februar 2024 gemeinsam diskutiert, anschließend besteht bis zum 1. März 2024 die Gelegenheit zur Überarbeitung.

 

Ausgewählte Forschungsliteratur: Adringa, Els: Poetics of emotion in times of agony. Letters from exile, 1933–1940. In: Poetics Today 32,1 (2011), S. 129-169. https://doi.org/10.1215/03335372-1188212 Akhtar, Salman: The immigrant, the exile, and the experience of nostalgia. In: Journal of Applied Psychoanalytic Studies 1 (1999), S. 123-130. https://doi.org/10.1023/A:1023029020496 Albrecht, Yvonne: Gefühle im Prozess der Migration. Transkulturelle Narrationen zwischen Zugehörigkeit und Distanzierung. Wiesbaden: Springer VS 2017. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17039-4 Brooks, Ann / Simpson, Ruth: Emotions in transmigration : transformation, movement and identity. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2013. Ekardt, Philipp / Fehrenbach, Frank / Zumbusch, Cornelia (Hrsg.): Politische Emotionen in den Künsten. Berlin: De Gruyter 2021. https://doi.org/10.1515/9783110725384 Grinberg, Léon / Grinberg, Rebecca: Psychoanalyse der Migration und des Exils. Stuttgart: Klett-Cotta 1990 [1984]. Gross, Rachel B.: Beyond the synagogue. Jewish nostalgia as religious practice. New York: New York University Press 2021. https://doi.org/10.18574/nyu/9781479803361.001.0001 Hogan, Patrick Colm / Irish, Bradley J. / Hogan, Lalita Pandit (Hrsg.): The Routledge companion to literature and emotion. London: Routledge 2022. https://doi.org/10.4324/9780367809843 Jandl, Ingeborg / Knaller, Susanne / Schönfellner, Sabine / Tockner, Gudrun (Hrsg.): Writing Emotions. Theoretical Concepts and Selected Case Studies in Literature. Bielefeld: transcript 2017. https://doi.org/10.14361/9783839437933 Koczanowicz, Tadeusz: The Emotional Citizenship of Exile. In: Dorota Sajewska / Małgorzata Sugiera (Hrsg.): Crisis and Communitas. Performative Concepts of Commonality in Arts and Politics. London: Routledge 2023, S. 57-75. https://doi.org/10.4324/9781003231097-5 Koppenfels, Martin von / Zumbusch, Cornelia: Handbuch Literatur & Emotionen. Berlin: De Gruyter 2016. https://doi.org/10.1515/9783110303247 Seeba, Hinrich C.: Heimweh im Exil. Anmerkungen zu einer verdrängten Sehnsucht. In: Exilforschung 30 (2012), S. 274-288. https://doi.org/10.1515/9783112423080-014 Svašek, Maruška: Moving subjects, moving objects. Transnationalism, cultural production and emotions. New York: Berghahn Books 2014. Vali, Noël: Nostalgia and exile. In: Journal of Spanish Cultural Studies 1,2 (2000), S. 117-133. https://doi.org/10.1080/713683446

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und andere Künste, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur und Musik/Sound Studies, Ästhetik, Stoffe, Motive, Thematologie

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Universität Hamburg (UH)
Datum der Veröffentlichung: 20.10.2023
Letzte Änderung: 20.10.2023