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Die Vor- und Frühindustrialisierung (1750 und 1850) im Spiegel der Literatur, Saarbrücken

Beginn
13.11.2024
Ende
14.11.2024
Deadline Abstract
15.03.2024

Die Vor- und Frühindustrialisierung (1750 und 1850) im Spiegel der Literatur. Internationale Tagung, Saarbrücken, 13. und 14. November 2024. Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Universität des Saarlandes

Dass die Industrialisierung in den deutschen Ländern sich später vollzog als in Großbritannien oder Frankreich, ist in der Geschichtswissenschaft vielfach untersucht und im Hinblick auf die politischen, sozio-ökonomischen und kulturellen Bedingungen und Besonderheiten der deutschen Länder in den letzten Jahrzehnten des 18. und den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts diskutiert worden.

Die Literaturgeschichtsschreibung hat ihren Beitrag zu diesem Forschungsfeld geleistet, indem sie literarische Zeugnisse der Auseinandersetzung mit der voranschreitenden Industrialisierung und ihren Implikationen erforscht und ausgewertet hat. Dass hierbei vornehmlich die Jahrzehnte zwischen den 1830er-Jahren und den 1870er Jahren fokussiert wurden, korrespondiert schlüssig mit dem Verlauf der Industriellen Revolution in den Staaten des Deutschen Bundes bzw. im Deutschen Kaiserreich.

Allerdings sind auch Erscheinungen und Phänomene der Vor- und Frühindustrialisierung in literarischen Texten reflektiert worden: Nicht erst die Eisenbahn, die ein impulsgebender Faktor des technisch-industriellen Fortschritts in den deutschen Ländern im 19. Jahrhundert war, hat in Textzeugnissen Spuren hinterlassen; auch die Gewinnung von Erzen und Metallen (Bergbau), die Metallerzeugung und -bearbeitung, der Maschinenbau, die Energieerzeugung (Wasser, Wind, Dampf, Elektrizität) haben in der Literatur Beachtung gefunden.

Besondere Bedeutung und Funktion hat in diesem Zusammenhang die Reiseliteratur: Schriftstellerinnen und Schriftsteller dokumentieren und kommentieren sowohl auf Fahrten durch Großbritannien und Frankreich als auch auf Reisen durch deutsche Länder die Manufakturen, Fabriken und Maschinen sowie die topographischen und sozialen Veränderungen, die sie hervorbringen.

Vorbereitet und begleitet werden Vor- und Frühindustrialisierung zudem von vielstimmigen philosophischen und ökonomischen Debatten, die einerseits greifbar werden lassen, wie der technisch-industrielle Aufbruch im Zusammenhang der rationalistischen Leitgedanken und mechanistischen Entwürfen der Aufklärung zu verorten ist, andererseits einen kritischen Diskurs über die sozialen, gesellschaftlichen oder ökologischen Folgen desselben eröffnen.

Im genuin literarischen Feld sind zwei Aspekte gleichermaßen von Bedeutung. Zum ersten und naheliegend sind die explizit literarischen Beschreibungen der Industrialisierung wie die Darstellung der Gewinnung von Erzen und Metallen (Bergbau), der Metallerzeugung und -bearbeitung, des Maschinenbaus, der technischen Weiterentwicklung von Wind- und Wasserkraft sowie des Einsatzes von Dampfmaschinen und Elektrizität von Relevanz. Genaue Darstellungen von Maschinen, Werkstätten, Manufakturen werden in literarische Gestaltungen eingebettet. Vor allem die Reiseliteratur vermittelt anschauliche Bilder der durch Industrie veränderten Landschaft und gibt detaillierte Beschreibungen des Fabrikwesens. Doch zum zweiten und subtextuell hat die Industrialisierung die literarische Metaphorik paradigmatisch geprägt, man denke etwa an das Motiv des Bergbaus und des Maschinenmenschen in der Romantik oder den Einfluss mechanistischer Diskurse auf die Poetik. Schließlich ist auch die dichterische Darstellung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in diesem Feld literarischer Annäherungen an die technisch-industrielle Welt zu verorten.

Die Tagung möchte sich jedoch nicht auf den literarischen Bereich als Ausgangsperspektive fixieren, sondern seine Verbindungen zu weiteren Diskursen spiegeln und diskutieren. Die Industrialisierung impliziert ein Spektrum von philosophischen Fragen bis hin zu weltanschaulichen Modellen über das anthropologische Wesen der Erkenntnis- und Erfindungstätigkeit, den Einfluss mechanischer Vorstellungen von Universum und Natur, Mensch, Staat und Gesellschaft auf die technische Entwicklung, das Verhältnis von (natur-)wissenschaftlichem Diskurs und technischer Entwicklung, die Vorstellung der technischen Entwicklung als Glücksverheißung und die ideelle Konzeptualisierung der Zweckrationalität als Vorbedingung technischer Entwicklung.

Auch ökonomische Diskurse finden Eingang in die Literatur. Bereits in der Phase der Vor- und Frühindustrialisierung werden kritische Wahrnehmungen der neuen Zeit formuliert. Die technische Entwicklung veränderte maßgeblich sowohl die Staats- als auch die Volkswirtschaft und wälzte die soziale Ordnung um. Es entstanden Massenphänomene wie der Pauperismus, es entwickelte sich ein völlig neuer Typus des Unternehmers und der gesellschaftliche Einfluss von Arbeiterschaft, Unternehmern, Kaufleuten und der herrschenden feudalen Schichten wurde neu verhandelt. Nicht zu übersehen ist ferner, dass schon früh Formen der Industrialisierung des Krieges einsetzten, die bis zu den Kriegen des 20. Jahrhunderts stetig weiter voranschritt.

Vor dem Hintergrund der heutigen Debatte um den Klimawandel ist nicht zuletzt die Frage relevant, ob und in welcher Weise seinerzeit bereits ein mit dem heutigen Diskurs kommensurables ökologisches Bewusstsein existierte, denn auch topographische Veränderungen, das Wachstum der Städte, Urbanisierung und Landflucht werden in literarischen Texten thematisiert.

Die wissenschaftliche Tagung, die das Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Universität des Saarlandes ausrichtet, findet am 13. und 14. November 2024 in Saarbrücken statt.

Erwünscht sind Themenvorschläge in deutscher, französischer oder englischer Sprache, die sich mit diesen Fragen aus literaturhistorischen, literatursoziologischen oder kulturgeschichtlichen Perspektiven beschäftigen. Besonders willkommen sind komparatistische Beiträge.

Bitte übermitteln Sie die Skizze (maximal 1.200 Zeichen) für einen Vortrag von maximal 20 Minuten Länge, gemeinsam mit einer kurzen wissenschaftlichen Biografie bis zum 15. März 2024 an Professor Dr. Sikander Singh (s.singh@sulb.uni-saarland.de) und Privatdozent Dr. Hermann Gätje (h.gaetje@sulb.uni-saarland.de).

Die Veröffentlichung der Tagungsbeiträge erfolgt in der Reihe „Passagen. Literaturen im europäischen Kontext“ im Francke Verlag, Tübingen.

Die Reise- und Übernachtungskosten für die zu einem Vortrag eingeladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden im Rahmen unseres Budgets übernommen.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur aus Deutschland/Österreich/Schweiz, Literaturgeschichtsschreibung (Geschichte; Theorie), Ecocriticism, Literatur und Soziologie, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Stoffe, Motive, Thematologie, Literatur des 18. Jahrhunderts, Literatur des 19. Jahrhunderts

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Universität des Saarlandes (UdS)
Datum der Veröffentlichung: 12.02.2024
Letzte Änderung: 12.02.2024