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CFP: Nachwuchstagung: Grenzen und Entgrenzung - topographisch, kulturell, identitär, Aachen (30.06.2023)

Deadline Abstract
30.06.2023

Grenzen und Entgrenzung – topographisch, kulturell, identitär.

Perspektiven auf Transgression, Liminalität und die Poetik des ‚Dazwischen’

Nachwuchstagung am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der RWTH Aachen, 26-28.10.2023

Organisation: Samuel Perepelitsa (Aachen), Dr. des Barbara Gremm (Aachen) und Yvonne Schneider (Aachen)

Keynote Speaker: Prof. Dr. Astrid M. Fellner (Saarbrücken), Prof. Dr. Stephanie Catani (Würzburg) und PD Dr. Christoph Kleinschmidt (Tübingen)

„Die Grenze und die Überschreitung verdanken einander die Dichte ihres Seins: Eine Grenze, die absolut nicht überquert werden könnte, wäre inexistent; umgekehrt wäre eine Überschreitung, die nur eine scheinbare oder schattenhafte Grenze durchbrechen würde, nichtig.“ (Michel Foucault)

Mit diesen Worten berührt Michel Foucault in seiner 1963 verfassten ‚Vorrede zur Überschreitung‘ ein grundlegendes Paradoxon der Erfahrbarkeit von Grenzen, werden diese als abstraktes Konzept doch erst in der (Un-)Fähigkeit ihrer Überschreitung greif- und denkbar. Ebenso impliziert eine Entgrenzung immer auch die Existenz einer bestehenden Begrenzung. Damit liegt in dieser beschriebenen Dialektik ein Begriffspaar vor, das existenziell miteinander verwoben ist und nicht ohne sein Gegenstück erfahrbar werden kann.

Diesen Zusammenhang von Be- und Entgrenzungsprozessen möchte die vom 26. bis zum 28.10.2023 stattfindende Nachwuchstagung am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der RWTH Aachen aufgreifen und im Hinblick auf verschiedene Schwerpunkte der Literaturwissenschaft, aber auch interdisziplinär (aus human-, geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen) fokussieren. Aktuelle literarische, gesellschaftspolitische und sozialphilosophische Diskurse zeigen insbesondere eine zunehmende Aus- und Verhandlung von Grenzen in Topographie, Kultur und Identität, die sich in Themen wie Migrations- und Fluchtbewegungen, Globalisierung und Partikularisierung, Inter- und Transkulturalität sowie hybriden Identitätskonzepten niederschlägt. Im Rahmen der Tagung soll in diesem Zusammenhang nicht nur der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise sich Grenzüberschreitungen und -verschiebungen literarisch und gesellschaftlich darstellen; vielmehr soll ebenso überprüft werden, inwiefern auch in Entgrenzungsprozessen die Implikation dieser Grenzen weiterhin eingeschrieben bleibt und Folgen nach sich zieht.

Ausgehend von diesen Überlegungen möchte die Tagung drei thematische Schwerpunkte verfolgen, die allerdings keinesfalls als trennscharf begriffen werden: topographische, kulturelle und identitäre Grenzen und Entgrenzungen. Sie betreffen neben allgemeinen Überlegungen zum Grenzbegriff unmittelbar das Verhältnis eines Individuums zu seinem sozialen Umfeld und bieten zugleich jeweils transitorische und hybride Interferenzräume, in denen Pluralität, Gradualität sowie Bipolarität zwischen Grenze und Entgrenzung möglich werden. In diesem Zusammenspiel sollen damit auch Perspektiven aufgezeigt werden, um gerade Berührungspunkte und Denkanregungen zwischen den genannten Schwerpunkten fruchtbar zu machen.

  

1)      Topographische Grenzen und Entgrenzung

Grenzen und Entgrenzungen können nicht nur als realpolitische und territoriale, sondern auch als abstrakte Größen, Markierungen und Überschreitungen erscheinen. Als ambivalente Systeme variiert ihre topographische Bedeutung zwischen Trennlinien, punktuellen Barrieren, Schwellen oder Übergangszonen, wobei der liminalen Zuschreibung eine subjektive Erfahrbarkeit meist ebenso zugrunde liegt wie ein intersubjektiver Gültigkeitsanspruch. In der konkreten Verschiebung, Neusetzung oder Überwindung von Grenzen offenbart sich insbesondere die Relativität ihres Konstruktcharakters, zumal Grenzpraktiken oft eine Doppelbewegung vollziehen aus Trennung und Verbindung. In der angeführten Begriffsdialektik nach Foucault zeigt sich darüber hinaus eine untrennbare Verschränkung aus Liminalität und Transgression, sodass auch in Entgrenzungsprozessen eine Implikation der Grenzen weiterhin zu bestehen scheint. Topographisch entstehen vor diesem Hintergrund Zwischenräume, in denen Bipolarität und Multipolarität, Pluralität und Gradualität, aber auch souveräne Transitzonen und heterotope Hybridräume möglich werden.

2)      Kulturelle Grenzen und Entgrenzung

Einen konkreten Ausgangspunkt der Poetik der Grenzen und Entgrenzung stellen territorial-kulturelle Grenzziehungen sowie Überschreitungen dar. Insbesondere seit der Ausbildung klar begrenzter Nationalstaaten in Europa und der Welt operieren nationale Kategorien mit einem Gemeinschaftsmodell, das sich über feste Zugehörigkeiten und interkulturelle Abgrenzungen definiert. Dem entgegen stehen jedoch Konzepte wie die Transkulturalität (Wolfgang Welsch), die sowohl eine historische Durchlässigkeit als auch eine globale Vernetzung und Binnendifferenz heutiger Gesellschaften akzentuieren. Nicht zuletzt durch neuere Fluchtbewegungen und postmigrantische Lebenswelten entstehen literarisch und gesellschaftlich heterotope ‚Dritte Räume‘ (Homi Bhaba) der interkulturellen Pluralität. Im Rahmen einer Poetik des ‚Dazwischen‘ verschränken sich dabei kulturelle Grenzen und Entgrenzungen fortwährend mit Motiven der Flucht und Migration, Sprache und Erinnerung, Herkunft und Heimat, Integration und Desintegration, aber auch Verlorenheit und Selbstfindung.

3)      Identitäre Grenzen und Entgrenzung

Eng verknüpft mit gesellschaftlichen Be- und Entgrenzungsprozessen erscheint auch die Verhandlung einer identitären Ausrichtung. In der bewussten Überschreitung topographischer, kultureller und normativer Grenzen – sowohl in transnationalen Perspektiven als auch in interkulturellen Gegenräumen – schwenkt der Fokus dabei von einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung hin zur konkreten Identitätserfahrung des Individuums. Als eine soziale Konstituierung entsteht Identität immer erst im Austausch mit einem extrinsischen Umfeld und muss mit jeder Entgrenzung neu verhandelt werden. Insbesondere soziale Differenzkategorien, Migrations- und Fluchterfahrungen, Desintegrationsprozesse sowie Formen der Ausgrenzung erzeugen zugleich eine Konfrontation des ‚Eigenen‘ mit dem ‚Fremden‘, die bestehende Ordnungen fortwährend herausfordert. Identitäre Grenzen und Entgrenzungen bewegen sich damit stets zwischen pluralen Prägungen einerseits und notwendigen Grenzpunkten der Orientierung andererseits.

  

  • Semantik des Grenzbegriffs und der Entgrenzung
  • (Dialektisches) Verhältnis von Liminalität und Transgression
  • Literarische Topographie von Grenzen, Entgrenzung und/oder Grenzlosigkeit
  • Grenzräume, Schwellenpunkte, Transit und Heterotopien in der Literatur
  • Pluralität und Gradualität, Bipolarität und Multipolarität von Grenzsystemen
  • Formen der Entgrenzung - topographisch, kulturell, identitär, normativ, etc.
  • Grenzverschiebung und -auflösung, souveräne Transitzonen und Nicht-Orte
  • Transnationale Diskurse in Literatur, Politik und Philosophie
  • Multi-, Inter- und Transkulturalität, Nationalität und Zugehörigkeit, Abgrenzung
  • Mehrsprachigkeit und Heimat, Herkunft und Zuhause, Heimatlosigkeit
  • Poetik des ‚Dazwischen‘ in Topographie, Kultur und Identität
  • Flucht und Migration, Erinnerung und Ko-Erinnerung, Trauma
  • Exil und (post-)migrantische Lebenswelten in Gesellschaft und Literatur
  • Integration, Inklusion und Desintegration, heterotope Zwischenräume und Allianzen
  • Formen der identitären Transgression in der Literatur
  • Identität und Kognition, Konstruktivismus und Autopoiesis, Individuum und Umfeld
  • Identitätsbildung zwischen pluralen Prägungen und Grenzpunkten der Orientierung

  

Das Konzept einer Nachwuchstagung wurde für dieses Projekt bewusst ausgewählt, um Austausch und Vernetzung unter jungen Forschenden in frühen akademischen Stadien zu ermöglichen: von Promovierenden und Postdocs bis hin zu Masterstudierenden, die einen akademischen Berufsweg anstreben. Ausgehend von den bisherigen Betrachtungen innerhalb der literaturwissenschaftlichen und interdisziplinären Grenzforschung sollen dabei neue Perspektiven eröffnet, aktuelle Bezüge sichtbar gemacht sowie Überschneidungen und Berührungspunkte zwischen den Schwerpunkten topographische, kulturelle und identitäre Grenzen und Entgrenzung aufgezeigt werden. Wir sind sehr offen für verschiedene Blicke auf die Thematik und freuen uns, von unterschiedlichen Erfahrungen und Herangehensweisen profitieren zu können.

Bitte schicken Sie Ihr Abstract mit einem Umfang von bis zu 500 Worten zusammen mit einer Kurzvita bis zum 30.06.2023 an nachwuchstagung@germlit.rwth-aachen.de. Eine Rückmeldung erfolgt zeitnah im Juli. Reise- sowie Übernachtungskosten werden innerhalb eines begrenzten Budgets übernommen. Für Rückfragen jeglicher Art stehen wir unter der angegebenen E-Mail-Adresse sehr gerne zur Verfügung.

Samuel Perepelitsa, Dr. des Barbara Gremm und Yvonne Schneider

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Hermeneutik, Dekonstruktion, Postkoloniale Literaturtheorie, Mehrsprachigkeitsforschung/Interlingualität, Interdisziplinarität, Literatur und andere Künste, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur und Philosophie, Literatur und Anthropologie/Ethnologie, Poetik
Border Studies

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Beitrag von: Samuel Perepelitsa
Datum der Veröffentlichung: 29.05.2023
Letzte Änderung: 29.05.2023