Konferenzen, Tagungen
Theoriestile: Schreibweisen, Denkfiguren, Zirkulationsformen, Berlin
Veranstaltungsdatum:
18.06.2025-20.06.2025
Seit einigen Jahren beansprucht 'Theorie' Aufmerksamkeit als eigenes Textgenre, das zwar an konkreten Gegenständen entwickelt wird, dabei aber auf allgemeine Einsichten abzielt. Oft zunächst in Disziplinen wie Philosophie, Soziologie oder den Künstewissenschaften entwickelt, werden diese Texte gerade durch ihre interdisziplinäre Anschließbarkeit zur 'Theorie' – paradigmatische Beispiele hierfür sind die Kritische Theorie oder die 'French Theory'. Dabei ist festzustellen, dass diese Theorie-Entwicklungen seit den 1960er Jahren Raum geben für die Ausprägung von eigenständigen und eigenwilligen Ausdrucksformen, die unverkennbare individuelle und gruppenspezifische Stilmerkmale hervorbringen, die zum Thema dieser Tagung gemacht werden sollen.
'Theoriestil' zielt dabei zunächst auf die Analyse einer dezidierten und spezifischen Schreibweise von Theorie, aber auch auf die editorischen Praktiken von Zeitschriften (für die Zeitschrift für Sozialforschung etwa oder Tel Quel) und Gruppenpublikationen, die maßgeblich zur Institutionalisierung von theoretischen Schulen beitragen konnten. Ebenso im Fokus stehen sollen Argumentationsstile, also die spezifische Verknüpfung von Elementen der Theoriekonstitution, sowie, und in direktem Zusammenhang damit stehend, eigenwillige und voneinander unterscheidbare Weisen der intellektuellen Ausprägung von Theorie – man könnte hier in Anlehnung an Ludwik Fleck auch von 'Denkstil' sprechen. Zu bedenken wäre schließlich, inwiefern die Kritik am (schlechten) Stil von 'Theorien' zu deren Geschichte beigetragen hat (beispielsweise die so genannten Bad Writing Contests der 1990er Jahre, aber auch die Kritik an den frühen deutschsprachigen Übersetzungen von Barthes, Foucault etc.).
Überlegungen zu stilistischen Eigenheiten einzelner Theoretiker:innen und theoretischen Strömungen liegen bereits vor (siehe u.a. die Sammelbände von Jonathan Culler, Kevin Lamb (Ed.): Just being Difficult. Academic Writing in the Public Arena, Stanford 2003, oder Ivan Callus, James Corby, Gloria Lauri-Lucente (Ed.): Style in Theory. Between Literature and Philosophy, London, New York 2013), im Rahmen dieser Tagung möchten wir uns aber nicht auf bloße Stilanalysen beschränken. Vielmehr sollen diese der Ausgangspunkt sein für Überlegungen, wie diese verschiedenen Stilaspekte die Zirkulation von Theorien beeinflussen. Orientiert ist die Tagung damit hin auf die Beweglichkeit und Dynamik der 'Theorie' und fragt nach den Transfers, Übertragungen und Zirkulationen der Stileigenheiten – und nach der Rolle der verschiedenen Stilaspekte, Text- und Publikationsformen für diese Bewegungen. Die implizierte These lautet, dass der Erfolg der 'Theorie' seit den 1960er Jahren sich ganz wesentlich einer bisher nur teilweise oder marginal erforschten transkulturellen Zirkulation von Texten, Menschen und Ideen und der immer wieder neuen Ausbildung von Wissens- und Denkgemeinschaften zwischen den Kontinenten verdankt, bei denen Stilübertragungen bzw. Stilfreundschaften und -feindschaften eine dominante Rolle gespielt haben. Es soll also um Fragen der Stilrezeption gehen, ebenso aber um Fragen der Stil-Übersetzung bzw. der (Nicht-)Übersetzbarkeit von Stil. Was passiert also in stilanalytischer und -geschichtlicher Hinsicht, wenn mit ihrer Ausgangssprache eigenwillig verfahrende Theoretiker:innen wie Adorno, Foucault, Kristeva, Butler oder Preciado übersetzt werden? Welche Denk- und Argumentationsstile haben sich in der Geschichte der 'Theorien' am ehesten als anschlussfähig erwiesen und zu transkontinentalen Paradigmen entwickelt? Und wie verhält sich die Analyse dieser 'Theoriestile' zur Geschichte und den Methoden der Stilistik in den Sprach- und Literaturwissenschaften?
Veranstaltungsort:
Freie Universität Berlin
EXC 2020 "Temporal Communities"
Raum 00.05
Otto-von-Simson-Straße 15
Programm
Mittwoch, 18. Juni
15:30 | Michael Gamper (Freie Universität Berlin/EXC 2020), Oliver Simons (Columbia University): Einführung
15:50 | Moderation: Oliver Simons
Kathrin Wittler (Freie Universität Berlin): Lyriktheorie der "Frankfurt School"? Zirkulationsweisen von Adornos Rede über Lyrik und Gesellschaft im Transatlantischen Vergleich
16:40 | Pause
17:10 | Moderation: Susanne Strätling
Pedro Mora Madriñán (Freie Universität Berlin/EXC 2020): Misplaced Styles? Dialectical Theory in the Periphery of Capitalism in the Work of Roberto Schwarz
Peter Pohl (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck): Theoriepolitiken, Theoriestile. Versuch einer Konzeptuellen Ergänzung am Beispiel der Traurigen Tropen
Donnerstag, 19. Juni
09:30 | Moderation: Philipp Felsch
Marco Weber (Universität Bonn): Theorie ist Stil ist Politik. Von der Unvorhersehbarkeit der Durchsetzung theoretischer Stile bei Jacques Derrida
Ann Cotten (Freie Universität Berlin): Vertierte Postmoderne: Zur Derrida-Lektüre von Azuma Hiroki
11:10 | Pause
11:40 | Moderation: Julius Böhm
Kirk Wetters (Yale University): Das Raunen der Theorie
Charlotte Coch (Universität zu Köln): "The Politics of Systems and Environment". Niklas Luhmann als Posthumanist
13:20 | Mittagspause
14:50 | Moderation: Yvonne Albers
Julius Böhm (Freie Universität Berlin/EXC 2020): "ein anderer Ton". Klaus Theweleits Männerphantasien
Luca Arens (Columbia University): Kittlerenglisch: German Media Theory als Transferleistung
16:30 | Pause
17:00 | Moderation: Oliver Simons
Martin Bartelmus (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf): Kool Thinkers. Semiotext(e) und die Literarisierung der French Theory
Chris Hoffman (Columbia University): Jamesons Übergänge. Epistemologie und Stil eines Modernen Dialektikers
Freitag, 20. Juni
09:30 | Moderation: Eva Geulen
Erica Weitzman (Northwestern University): Verteidigung ist der beste Angriff: Nietzsches Ecce Homo und die Apologetik als Travestie
Martin Endres (Freie Universität Berlin): "beständige Transkreation". Zur metaschematischen Theorieästhetik Oswald Eggers
11:10 | Pause
11:40 | Moderation: Michael Gamper
Julia Soytek (Universität Hamburg): "It Issued a Call, Even if I Did Not Quite Understand What It Was Saying". Schreibweisen des New Materialism (Barad, Bennett)
12:30 | Schlussdiskussion
Contact Information
Organisiert von Michael Gamper und Oliver Simons (Columbia University), Projekt Theoriezirkulationen. Themen, Prozesse und Geschichten einer globalisierten Schreibweise, Research Area 4: "Literary Currencies".
Es wird um Anmeldung gebeten bei Claudia Ziegler, claudia.ziegler@fu-berlin.de.
Contact Email
communications@temporal-communities.de
URL
https://www.temporal-communities.de/events/2025/tagung-theoriestile.html
Forschungsgebiete
Organisation
EXC 2020 "Temporal Communities"Veröffentlicht am: 06.06.2025
Letzte Änderung: 12.06.2025, 11:27
Vorgeschlagene Zitierweise:
"Theoriestile: Schreibweisen, Denkfiguren, Zirkulationsformen, Berlin" (Konferenzen, Tagungen), avldigital.de, veröffentlicht am: 06.06.2025. http:/avldigital.de/de/vernetzen/fachinformationen/events/theoriestile-schreibweisen-denkfiguren-zirkulationsformen-berlin