„Freie Rhythmen“: Diskursgeschichte einer Begriffsbildung der Lyriktheorie
„Freie Rhythmen“: Diskursgeschichte einer Begriffsbildung der Lyriktheorie
Internationaler Workshop der Forschungsstelle „Historische Poetik und Formtheorie“ an der Universität Konstanz (Kulturwissenschaftliches Kolleg Konstanz, Bischofsvilla, Otto-Adam-Str. 5)
veranstaltet von Lars Friedrich und Elisa Ronzheimer
07.-08.12.2023
Als „Freie Rhythmen“ wird gemeinhin eine von Klopstock inaugurierte und von Goethe, Novalis und Hölderlin weiterentwickelte Lyrik in hymnischem Stil bezeichnet, die sich von Formkonventionen wie Metrum, Reimschema und Strophengliederung ablöst und zugleich an klassische Muster gebunden bleibt. Inspiriert von Pindars dithyrambischen Oden, den biblischen Psalmen und der vermeintlich Ossianischen Bardendichtung lässt sich Lyrik in „Freien Rhythmen“ als eine schöpferische Arbeit mit antiken Versfüßen und damit als Emanzipationsbewegung gegenüber Formimperativen strenger Regelmäßigkeit verstehen.
Der kritische Einsatzpunkt des Workshops besteht darin, dass weder die einschlägigen Autoren noch die zeitgenössische Kritik (Lessing, Hamann, Herder) den Terminus „Freie Rhythmen“ verwenden und der Begriff daher als Sammelbezeichnung für eine bestimmte Tendenz lyrischer Dichtung der Sattelzeit nicht umstandslos vorausgesetzt werden kann. Von „Freien Rhythmen“ ist ausdrücklich erst um 1890 im Zuge einer methodischen Goethe-Philologie und einem wiedererwachten Interesse an Klopstocks Oden die Rede und die Etablierung des Begriffs korreliert auffällig mit der Institutionalisierung der Neuen deutschen Literatur als selbständiges Fach der Universitätsgermanistik. Ziel der Veranstaltung ist es nicht, das Strukturprinzip freirhythmischer Dichtung an Gedichten kanonischer Vertreter wie Klopstock, Goethe oder Hölderlin noch einmal durchzuexerzieren. Vielmehr soll diskutiert werden, wer von welchem Standort und in welchem Kontext auf den Terminus „Freie Rhythmen“ rekurriert und welche poetologischen, theoretischen oder politischen Strategien mit diesem Einsatz einhergehen.
Programm
Donnerstag, 7.12.2023
14.15 Empfang
14.45 Juliane Vogel (Konstanz): Begrüßung
15.00 – 15.30
Lars Friedrich (Konstanz), Elisa Ronzheimer (Bielefeld/Bergamo): Einführung
15.30 – 16.30
Katja Mellmann (Frankfurt am Main/München): ‚Gebundenheit‘ und ‚Freiheit‘ in Wilhelm Scherers entwicklungsgeschichtlicher Dichtungstheorie
Kaffeepause
17.00 – 18.00
Hannah Eldridge (Madison): Zur Kulturpolitik des Dithyrambischen
Moderation: Elisa Ronzheimer (Bielefeld/Bergamo)
18.00 – 19.00
Christian Benne (Kopenhagen): Instress. Philosophie der Freien Rhythmen bei Nietzsche und G.M. Hopkins
Moderation: Lars Friedrich (Konstanz)
Freitag, 8.12.2023
10.00 – 11.00
Giulia Agostini (Heidelberg): Zwischen den Rhythmen. Überlegungen zu Mallarmés Literaturbegriff
Moderation: Lars Friedrich (Konstanz)
11.00 – 12.00
Michael Auer (Berlin): „Vers libre does not exist“. Rhythmus in der angloamerikanischen Moderne
Kaffeepause
12.30 – 13.30
Felix Christen (Zürich/Heidelberg): „was ists?“ Philologie, Metrik und Krieg in Rilkes „Fünf Gesängen“ (1914)
Moderation: Andrea Simone Gamp (Konstanz)
Mittagspause
14.30 – 15.30
Claude Haas (Berlin): Barometer oder Witterung? Metrum und Rhythmus bei Friedrich Gundolf
Kaffeepause
16.00 – 17.00
Nathan Taylor (Frankfurt am Main): Damaged Homologies. Free Verse and Unfree Life in Adorno
Moderation: Konstantin Sturm (Konstanz)