Feindschaft – Verachtung: Inszenierungsformen des Hasses im Drama (1600–1800)
Feindschaft – Verachtung: Inszenierungsformen des Hasses im Drama (1600–1800)
Workshop am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Goethe-Universität Frankfurt, 16.–17. März 2023
Organisation: Oliver Völker
Als eine auf zeitliche Dauer gestellte Emotion, so die Bestimmung Kants, gräbt sich Hass tief in das fühlende Subjekt ein. Zugleich scheint die damit einhergehende Ausrichtung auf ein feindliches Gegenüber einen Punkt anzusteuern, an dem Sprache an Bedeutung verliert und in Gewalt umschlägt. Die Metapher der verletzenden Rede auf ihre buchstäbliche Ebene drängend, ist ‚Hass‘ nicht einer beweglichen, dialoghaften Sprache angehörig, sondern zielt hartnäckig auf das Verstummen, die Herabwürdigung und die Zerstörung eines Gegenübers. Trotz oder gerade aufgrund dieser Grenzsituation zum Bereich des Körpers und der Gewalt provoziert Hass in der Literatur eine besondere sprachliche Dynamik, die sich u.a. in einer Rhetorik der Überbietung und in aufwendig durchchoreographierten Sprechakten wie Schwur oder Fluch äußert.
Obschon das Verhältnis von Literatur und Emotionen in den vergangenen Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen hat und dabei negative Emotionen wie Angst, Wut und Eifersucht in den Blick genommen wurden, ist die Bedeutung von Hass und Hassrede in diesem Zusammenhang noch vergleichsweise wenig erforscht. Hier soll die Veranstaltung neue Zugänge eröffnen, indem sie in einer komparatistischen und historischen Perspektive literarische Inszenierungsformen des Hasses, der Feindschaft und der Verachtung in den Blick nimmt. Dabei zeichnet sich gerade in Dramen des Zeitraums von 1600 bis um 1800 ein Korpus ab, in dem der Hass eine problematische, gleichwohl aber immer wieder handlungstreibende Emotion darstellt. Gehören hasserfüllte Figuren in den Dramen Shakespeares, Racines und Lohensteins zum Kernbestand, so tritt auch in der Aufklärung Hass nicht allein als geschichtlich zu überwindender Anachronismus auf. Emotionen einer gewaltsamen, sich gegenüber konkreten Anlässen der Herabwürdigung oder Verletzung sukzessive verselbstständigenden Feindschaft scheinen Phänomene zu konstituieren, die sich durch einen historischen Prozess der Aufklärung und damit einhergehenden Postulaten von Mitleidsästhetik, Gemütsruhe, Toleranz und kritischer Vernunft nicht aufheben lassen. Wie diese vermeintlich archaischen Restbestände im Drama raumgreifend ausagiert und zum Gegenstand der ästhetischen Aufmerksamkeit werden, soll im Zentrum des Workshops stehen.
Programm:
Donnerstag, 16. März 2023
13.00 – 13.30: Einführung und Begrüßung (Oliver Völker)
13.30 – 14.15: Rita Rieger (Graz): Medeas Rache. Emotions- und darstellungstheoretische Überlegungen zu Inszenierungsformen des Hasses in Corneilles Tragödie und Noverres tragischem Ballett
14.15 – 15.00: Michael Navratil (Stuttgart): Love and Hate. Affektive Regime und die Figur des Schurken in Shakespeares Richard III. und Othello
15.30 – 16.15: Melanie Reinhard (Freiburg): Dimensionen des Hasses in Racines Athalie (1692)
16.15 – 17.00: Martina Wagner-Egelhaaf (Münster): Was ist Universalhass? Zu Schillers Die Räuber
17.30 – 18.15: Robert Walter-Jochum (FU-Berlin): „Germanien lodert“ – Hass als politisches Instrument und widerständiger Affekt in Kleists Hermannsschlacht
Freitag, 17. März 2023
09.30 – 10.15: Kathrin Dennerlein (Würzburg): Hass und Gender im Drama der Frühen Neuzeit. Hermeneutische versus KI-gestützte Analysen?
10.15 – 11.00: Oliver Kohns (Luxembourg): „Es morde noch mein Dolch, wo er nur morden kann“: Weiße, Lessing und die Ökonomie des Hasses im Trauerspiel
11.30 – 12.15: Ulrich Port (Trier): Königsmord und konterrevolutionärer Furor. Politisierte Hassreden in deutschen Regiziddramen über die Puritanische und die Französische Revolution
12.15 – 13.00: Hanna Clara Pulpanek (Münster): Kriegerische Selbstvernichtung – Zur patriotischen Feindseligkeit in Lessings Philotas
Abschluss und Verabschiedung