CfP/CfA Veranstaltungen

Literaturgeschichte und Buchmarkt, 1500–1700‘, Heidelberg

Beginn
26.03.2025
Ende
28.03.2025
Deadline Abstract
07.07.2024

Literaturgeschichte und Buchmarkt, 1500–1700
Heidelberg, 26.–28. März 2025 (unter Vorbehalt)

Die Literaturgeschichte der Frühen Neuzeit scheint in einem nicht unerheblichen Ausmaß von der Zusammenarbeit zwischen Autoren und Offizinen geprägt zu sein. Häufig lassen sich in dieser Hinsicht langjährige, konstante und produktive Arbeitsbeziehungen beobachten, etwa zwischen Erasmus von Rotterdam und Johann Froben, Johann Fischart und Bernhard Jobin oder auch zwischen Johann Michael Moscherosch und Johann Philipp Mülbe. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass bereits in der Zeit zwischen 1500 und 1700 das Schreiben ‚literarischer‘ Texte (im zeitgenössisch weitergefassten Wortsinn) nicht allein in ‚intellektuelle‘, beispielsweise literatur-, politik-, konfessions- und ideengeschichtliche, Kontexte eingebettet ist. Vielmehr erscheint es sinnvoll, die Textproduktion seitens der Autoren auch im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen der beteiligten Druckerverleger – anders gesagt: das Schreiben und Publizieren von Büchern als Geschäft – zu betrachten.

Dieses Zusammenspiel von Literaturgeschichte und Buchmarkt wurde noch nicht eingehend untersucht. Zwar liegen neben anknüpfungsfähigen Handbüchern (Adam/Westphal 2012; Reske/Benzing 2015) aus (buch-)historischer Perspektive Studien vor, die sich mit den wirtschaftlichen, politischen und konfessionellen Rahmenbedingungen des frühneuzeitlichen Buchmarktes befassen (z.B. Pettegree 2010; Bellingradt/Reynolds 2021); aus literaturwissenschaftlicher Perspektive solche, die die Zusammenarbeit einzelner Autoren mit ‚ihren‘ Druckerverlegern beleuchten (z.B. Steiger 2015; Brockstieger 2018; Derer 2021). Eine Zusammenführung der buchhandels- und der literaturgeschichtlichen Perspektive, die u.a. auch die wirtschafts-, konfessions- und wissenshistorischen Komponenten des Phänomens ‚Buchmarkt‘ berücksichtigen müsste, hat bisher allerdings nicht oder nur in Ansätzen stattgefunden.

An dieser Stelle soll die geplante Tagung ansetzen, indem sie danach fragt, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise Dynamiken aus dem Bereich des Buchhandels die Literaturgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts beeinflussen oder gar steuern. Es gilt zu ermitteln, inwiefern sich die personellen Netzwerke, die Austausch- und Konkurrenzverhältnisse und die (auch) auf finanziellen Gewinn ausgerichteten Interessen der Druckerverleger auf die Spezifika der Textproduktion seitens der Autoren auswirken, etwa in Gestalt von Aneignungen zeitgenössisch populärer Gattungsvorbilder oder von gezielt in Auftrag gegebenen ‚Konkurrenzprodukten‘ zu erfolgreichen Texten.

Die Annäherung an diese übergeordnete Fragestellung soll über vier Themenschwerpunkte erfolgen:

1. Buchmarkt und regionale Einbettung: Ausgehend von der Feststellung, dass der frühneuzeitliche Buchmarkt in weiten Teilen regional geprägt ist (vgl. Wittmann 2019, 88), stellt sich die Frage nach der Bedeutung regionsspezifischer Begebenheiten für die lokale Buchproduktion. Relevant erscheinen hier etwa spezifische konfessionelle Dynamiken, die geographische Lage in einer Grenzregion, Konkurrenzverhältnisse zwischen mehreren am selben Ort angesiedelten Offizinen oder auch orts- bzw. regionsspezifische ‚Spezialinteressen‘.

2. Überregionale Vernetzung: Druckerverleger und Buchhändler agieren und beeinflussen die Textproduktion nicht nur regional, sondern stehen auch im überregionalen Austausch miteinander. Es stellt sich daher die Frage, ob sich Vernetzungen zwischen einzelnen Druckerverlegern oder Buchhandelszentren beobachten lassen, die die Verbreitung bestimmter Gattungsvorbilder oder Autoren erkennbar beeinflussen und dadurch literarische Nachahmungsprozesse begünstigen. In diesem Zusammenhang ist auch die Rolle der Messen als Orte des Austauschs von Bedeutung.

3. Buchmarkt und Übersetzung: Sinnvoll erscheint es auch, nach der Bedeutung der Druckerverleger für die epochenkonstitutive Übersetzungspraxis der europäischen Frühen Neuzeit (vgl. Toepfer/ Burschel/Wesche 2021) zu fragen; etwa nach dem möglichen Einfluss der Druckerverleger auf die Auswahl zu übersetzender Texte oder nach Faktoren, die die Übersetzung bestimmter Texte in kommerzieller Hinsicht besonders attraktiv machen könnten (z.B. die Kompatibilität mit regionsspezifischen Interessen oder das bereits erwiesene Publikumsinteresse an der Vorlage).

4. Literarische Reflexionen: Der Buchmarkt existiert nicht nur ‚außerliterarisch‘, sondern kann wiederum zum Gegenstand literarischer Texte werden, etwa wenn habgierige Buchdrucker in der Moralsatire gescholten werden (so z.B. bei Moscherosch), oder der Buchdruck an sich gelobt. Hieraus ergeben sich Fragen nach der literarischen Darstellung von Buchdruckern und Druckerverlegern, die eng verbunden sind mit solchen nach dem Bewusstsein und der Reflexion der Autoren über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer eigenen Tätigkeit. 

Es steht zu vermuten, dass für die Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen (v.a. 1–3) insbesondere solche Textgattungen von Belang sind, die vergleichsweise hohe Einkünfte für die beteiligten Druckerverleger versprechen, z.B. religiöse Gebrauchsliteratur (Gebet-, Lieder- und Erbauungsbücher), didaktisch-unterhaltende Kurzprosa (Satiren, Lust- und Schauergeschichten) oder volkssprachliche wissensvermittelnde Literatur (Hausväterbücher, Sprachbücher o.ä.).

Ziel der Tagung ist es, im interdisziplinären Dialog eine neue Perspektive auf das Phänomen ‚Buchmarkt‘ zu entwickeln, die für die literatur- und kulturhistorischen Disziplinen anknüpfungsfähig zu sein verspricht. Die Beträge sollen in einem Sammelband veröffentlicht werden.

Die Tagung soll – vorbehaltlich der Finanzierung – vom 26. bis 28. März 2025 an der Universität Heidelberg stattfinden. Wir freuen uns über Beitragsvorschläge aus den Bereichen der Kultur-, Wissen-, Konfessions-, Wirtschafts-, Medien- und Literaturgeschichte. Bitte senden Sie ein Abstract von max. 300 Wörtern bis zum 7. Juli 2024 an Sofia Derer (sofia.derer@gs.uni-heidelberg.de).

 

Literatur:

Adam, Wolfgang und Siegrid Westphal (Hrsg.). 2012. Handbuch kultureller Zentren der Frühen Neuzeit. Städte und Residenzen im alten deutschen Sprachraum. 3 Bde. Berlin und Boston: De Gruyter.

Bellingradt, Daniel und Anna Reynolds (Hrsg.). 2021. The Paper Trade in Early Modern Europe. Practices, Materials, Networks. Leiden und Boston: Brill.

Brockstieger, Sylvia. 2018. Sprachpatriotismus und Wettstreit der Künste. Johann Fischart im Kontext der Offizin Bernhard Jobin. Berlin und Boston: De Gruyter. 

Derer, Sofia. 2021. „Die Entstehung von Johann Michael Moscheroschs Insomnis Cura Parentum (1643). Eine konfessions- und medienhistorische Fallstudie zum Übersetzen im 17. Jahrhundert.“ In Übersetzen in der Frühen Neuzeit – Konzepte und Methoden/ Concepts and Practices of Translation in the Early Modern Period, hrsg. von Regina Toepfer, Peter Burschel und Jörg Wesche, 313–336. Berlin und Heidelberg: Metzler.

Pettegree, Andrew. 2010. The Book in the Renaissance. New Haven und London: Yale University Press.

Reske, Christoph. 2015. Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Harrassowitz.

Steiger, Johann Anselm. 2015. „Lyrische Katechismus-Predigt, Städtelob und Lob der Buchdruckerei. Zu Johann Rists Katechismus-Andachten (1656).“ In Johann Rist (1607–1667). Profil und Netzwerke eines Pastors, Dichters und Gelehrten, hrsg. von dems. und Bernhard Jahn, 321–344. Berlin und Boston: De Gruyter.

Toepfer, Regina, Peter Burschel und Jörg Wesche. 2021. „Einleitung.“ In Übersetzen in der Frühen Neuzeit – Konzepte und Methoden/ Concepts and Practices of Translation in the Early Modern Period, hrsg. von dens., 1–27. Berlin und Heidelberg: Metzler.

Wittmann, Reinhard. 2019. Geschichte des deutschen Buchhandels. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage. München: Beck.

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Sofia Derer

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Germanistisches Seminar

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69117 Heidelberg

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Forschungsgebiete

Literaturgeschichtsschreibung (Geschichte; Theorie), Literatur und Verlagswesen/Buchhandel, Übersetzung allgemein, Literatur des 16. Jahrhunderts, Literatur des 17. Jahrhunderts, Literatur des 18. Jahrhunderts

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Datum der Veröffentlichung: 17.06.2024
Letzte Änderung: 17.06.2024