CfP/CfA Veranstaltungen

Konvergenz, Zerstreuung, Konfusion. Wissen übersetzen im 17. und 18. Jahrhundert (1. Sektion des 14. Kongress des Frankoromanistikverbands)

Beginn
24.09.2024
Ende
27.09.2024
Deadline Abstract
31.01.2024

Unsere Sektion beschäftigt sich mit der mehrsprachigen Genese von Wissen in Übersetzungsprozessen. Komplementär zu den bereits rezipierten naturwissenschaftlichen Diskursen im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts möchten wir anhand dreier Schlüsselkonzepte herausarbeiten, wie Wissen übersetzt und geformt wird. Konvergenz, Zerstreuung und Konfusion dienen uns als (topographische) Metaphern einer komplexen Dynamik, welche die Bedingung für die Konstituierung neuen Wissens darstellt. Die Sektion thematisiert sowohl Übersetzungen aus dem Französischen wie auch in das Französische. Damit steht historisch betrachtet nicht nur die Entstehung einer volkssprachlichen Gelehrtenrepublik infolge der Erosion des Lateinischen, sondern auch die Dissemination französischer Geistesarbeit im Mittelpunkt. In unserer Sektion nehmen wir die ‚Zusammenflüsse‘ der Sprachen im Prozess des Übersetzens ernst und machen die Kategorien von Konvergenz, Zerstreuung und Konfusion fruchtbar für die verschiedenen Interaktions- und Kontaktmöglichkeiten des Französischen mit anderen Sprachen (vgl. zum Konzept der Konfusion Shahar 2023). Konsequenterweise ist die Ausrichtung der Sektion komparatistisch und interphilologisch.

In Anlehnung an Niklas Luhmanns Systemtheorie hat Thomas Klinkert (2010:22) in seiner Studie Epistemologische Fiktionen dargelegt, dass Wissen nicht einzig als „Sedimentierung von enttäuschter Erwartung in einem System“ zu verstehen sei, sondern ebenso als „Resultat einer Kommunikation über diesen Sachverhalt“. Mit Blick auf die Selbstübersetzungen und das exophone Schreiben der Brüder Humboldt arbeitet Stefan Willer (2021: 119) die „grundsätzliche Sprachabhängigkeit des Wissens“ heraus. Die besagten gelehrten Schreibverfahren und Praktiken dienen so nicht nur der „Distribution und Zirkulation wissenschaftlicher Ergebnisse“ (ebd.: 119), sondern verweisen auf die translinguale Konstitution von Wissensprozessen. In diesem Sinne interessiert sich auch unsere Sektion nicht primär für den Zuwachs an Wissen, sondern für die Mittelbarkeit und Prozessualität der Wissensgenese im Übersetzen (vgl. hierzu auch Toepfer 2021: 206–207, 214; u.ö.).

Vor allem Literaturübersetzungen konnten, im Zuge der zurzeit blühenden Übersetzungsfor-schung, aus einer langanhaltenden Schattenexistenz heraustreten und wurden gerade in jüngsten Beiträgen mit Blick auf Geschlecht und Diversität untersucht (vgl. etwa Sanmann 2021, Brown 2022). Neben neueren Arbeiten zur Übersetzung von Enzyklopädien (vgl. Greilich 2021, Donato/Lüsebrink 2021) hat die Textsorte der Fachübersetzung für die Konstituierung (trans-)nationaler Wissenschaftskulturen Beachtung gefunden (vgl. Gipper/Stefanelli 2021). Die epistemische Dimension des Übersetzens wurde ebenso im Zusammenhang mit der Genese von anthropologischem und ökonomischem Wissen (vgl. Toepfer 2022, Lüsebrink 2021) herausgearbeitet. An dieses dynamische Forschungsfeld knüpfen wir mit unserer Sektion an. Uns geht es mit dem Fokus auf Wissen – dies zeigt bereits dieser kleine Forschungsstand – nicht primär um Autorschaft, sondern um eine kultur- und medienwissenschaftliche Perspektive auf Übersetzungen, die gerade Fehlübersetzungen, kreativen Umschreibungen und Adaptionen Aufmerksamkeit schenkt (vgl. Venuti 2008 und etwa Mende 2018) und das Potential dieser neu entstandenen Texte jenseits von ästhetischer Bewertung und geradliniger Rezeption herausarbeitet.

Die methodische Ausrichtung der Sektion ist dahingehend zentral, als wir keinen systematischen Ansatz verfolgen, sondern von der konkreten Lektüre einzelner Texte ausgehen und Fallstudien erbitten. Neben Theorie- und Wissenschaftsübersetzungen im strengen Sinne interessieren uns ebenso literarische Texte, in denen der Status des Wissens (durchaus auch im Sinne von poetologischen und literaturtheoretischen Fragen) verhandelt wird.

Davon ausgehend stehen die folgenden Fragen im Mittelpunkt:

• Welche Begriffsbildungen werden durch die Praxis des Übersetzens (aus dem Französischen/ins Französische) ermöglicht?

• Welche Funktionen des Übersetzens werden jenseits von Mediation, Vermittlung und Anpassung erkennbar?

• Wie lässt sich die Position marginalisierter Kollektive beschreiben? Inwiefern können Gender und Diversität auch als Analysekategorien für Theorie- und Wissenschaftsübersetzungen fruchtbar gemacht werden? 

• In welchem Verhältnis stehen Wissenschafts- und Literaturübersetzungen? Welche Kon-vergenzen lassen sich, trotz aller Differenzen, beobachten?

• Wie wird die Praxis des Übersetzens, die fachliche Zuordnung und die adressierte Leser-schaft in den Paratexten thematisiert? Welche Neubestimmungen werden vorgenommen?

• Welche Bedeutung spielen besondere Formen des Übersetzens (z.B. Selbstübersetzungen) für die Kontexte des 17. und 18. Jahrhunderts?

Wir bitten um Vortragsvorschläge in dt. oder frz. Sprache mit einer Länge von höchstens 500 Wörtern (zzgl. Bibliographie) bis zum 31. Januar 2024 an die folgenden Adressen: colbertaldo@em.uni-frankfurt.de, kontakt@marilia-joehnk.de.

Für die Einreichungen bitten wir die Vorlage zu verwenden, die auf der Webpage http://francoromanistes.de/ zu finden ist. Über die Annahme der Beiträge wird bis zum 28. Februar 2024 informiert.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Französische Literatur, Übersetzung allgemein, Übersetzungstheorie, Literatur des 17. Jahrhunderts, Literatur des 18. Jahrhunderts

Links

Ansprechpartner

Einrichtungen

Universität Passau
Beitrag von: Roberta Colbertaldo
Datum der Veröffentlichung: 12.10.2023
Letzte Änderung: 12.10.2023