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„FREUET EUCH, IHR PATIENTEN, DER ARZT IST EUCH INS BETT GELEGT!“ FRANZ KAFKAS SUBJEKT-KRISE IM ZEITALTER SIGMUND FREUDS

Deadline Abstract
31.01.2024

Kafka darf als Einwohner des Kronlandes Böhmens, das eine enge Verbindung zu Wien als Residenzstadt aufwies, in weltanschaulicher Hinsicht als maßgeblich von Freud’schen Theoremen beeinflusst gelten. Anz hält zur Breitenwirkung Freuds fest, dass es „um 1910 kaum einen ernstzunehmenden Autor“ gibt, „der die Freudschen Theorien nicht zur Kenntnis genommen hätte“, um pointiert hinzuzufügen, dass dies „jedoch noch keine hinreichende Erklärungsbasis für die anzutreffenden Konvergenzen“ ist: „Eher ist anzunehmen, daß man sich so intensiv für Freud interessierte, weil man bei ihm Probleme angesprochen fand, die einen selbst bereits beschäftigten […].“ (Anz 1977, 110f) Dadurch wird nachvollziehbar, wie der Literatur insgesamt, und in besonderem Maße jener der Jahrhundertwende, die vorwissenschaftliche Erkenntnisfunktion zukam, die ihr von Freud zugestanden wurde. Durch sie wurde der Dichter zu einem „‚Bundesgenossen‘“ (Köppe/Winko 2013, 65) der Psychoanalyse.

Eine Kontamination mit den Lehren der Psychoanalyse hat bereits im Fall der Durchbruchserzählung Das Urteil, die den Auftakt zur mittleren Schaffensperiode bildet, als wahrscheinlich zu gelten. Mit den „Gedanken an Freud“ (KA, Tagebücher 461), die er dem dichterischen Schaffensprozess jener Nacht zuschrieb, ist ein Freud’scher Einfluss autobiografisch belegt. Eine besondere Tiefenwirkung scheint die Trieblehre auf den Prager Weltautor ausgeübt zu haben. Ein triebskeptischer Kafka, der im Tagebuch davon spricht, dass er den „Coitus als Bestrafung des Glückes des Beisammenseins“ sieht, zieht daraus folgenden lebensgeschichtlichen Schluss: „Möglichst asketisch leben, asketischer als ein Junggeselle, das ist die einzige Möglichkeit für mich, die Ehe zu ertragen.“ (ebd., 574f) Neben dem literarischen Werk als Ganzem stellt sich, mit Blick auf Kafkas spätere physische Leiden, insbesondere bei den ab 1917 entstandenen Erzählungen Ein Landarzt und Ein Hungerkünstler die Frage, inwieweit in dieser Zeit der Krankheit der freudianische Impetus an Kontur gewinnt. Im Landarzt ist es der todkranke Junge, der bezeichnenderweise „in der Hüftengegend“ eine „handtellergroße Wunde“ (KA, DzL 258) – als Bildnis libidinöser Energien – aufweist. Die Verbindungen der Landarzt-Erzählung mit dem Theorem vom unbewussten Seeleninhalt, der das Ich weitgehend determiniert, wurden in der Forschung hellsichtig erkannt (vgl. Ries 1993, 83 u. 85). Ideologiekritisch lässt sich von einem ‚falschen Bewusstsein‘ des Ichs sprechen, das in seiner Überzeugung von der eigenen Autonomie irrt.

Die Wiener Kafka-Konferenz, die dem 100. Todestag des Prager Weltautors gewidmet ist, wird sich unter anderem der Fragestellungen annehmen, a) wie Kafka die Psychoanalyse rezipierte, dabei insbesondere die Trieblehre, und literarisch verarbeitete b) ob dem einschlägigen Bildgebrauch, wie etwa Pferde- bzw. Kutschen-Bildnis, bei Kafka eine traumlogische Funktion zukommt bzw. c) welche Verbindungen zwischen Freud’scher und Marx’scher Ideologiekritik im Sinn eines eigendynamischen Fortschrittes auszumachen sind.

In Vorträgen, die am 1. Juni 2024 an der Universität Wien stattfinden, sollen die jeweiligen Beiträge vorgestellt und anschließend diskutiert und erörtert werden.

Bei Interesse wird die Zusendung eines Beitragsvorschlages im Umfang von 300 bis 400 Wörtern, sowie einige bio-bibliografische Informationen zur Person, bis zum 31. Januar 2024 an Gernot Wimmer (gernot.wimmer@univie.ac.at) erbeten. Eine Veröffentlichung der Beiträge ist vorgesehen.

Der Veranstalter

Dr. Gernot Wimmer (Universität Wien)

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Ansprechpartner

Beitrag von: Gernot Wimmer
Datum der Veröffentlichung: 29.11.2023
Letzte Änderung: 29.11.2023