|
ger: Schüler*innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch sind in Österreich im Vergleich zu Schüler*innen mit Deutsch als Erstsprache besonders häufig von frühem Schulabbruch oder Schullaufbahnverzögerungen betroffen (Herzog-Punzenberger & Schnell, 2012, S. 248–252; Vetter, 2013, 2015, S. 237–238). Als ein zentraler Grund dafür wird in dieser Dissertation insbesondere die einsprachig-deutschsprachige Funktionsweise des Schulsystems gesehen. Sie führt dazu, dass wesentliche Teile des sprachlichen Repertoires von mehrsprachig-deutschsprachigen Schüler*innen von schulischen Lehr-/Lernprozessen ausgeschlossen werden, wodurch Lernprozesse für diese Schüler*innen erschwert und ihr Wissenserwerb beeinträchtigt wird, sie also strukturell benachteiligt werden. Diese Dissertation geht daher der Frage nach, inwiefern Lehramtsstudierenden aller Lehramtsfächer nachhaltig und in Bezug auf ihre zukünftige Unterrichtspraxis möglichst handlungswirksam jene notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden können, die es ihnen ermöglichen in ihrem zukünftigen Unterricht gleichwertig und situativ angemessen sowohl die individuellen sprachlichen Repertoires und kommunikativen Praktiken aller Schüler*innen aktiv in die Gestaltung von Lerngelegenheiten einzubeziehen als auch deren bildungssprachliche Kompetenzen in der Unterrichtssprache Deutsch zu fördern. Im Hinblick auf diese übergeordnete Fragestellung wurde im Rahmen des Educational Design Research-Ansatzes eine Lehrveranstaltung für Lehramtsstudierende aller Fächer in einem mehrschrittigen iterativen Prozess theorie- und empiriebasiert entwickelt, praktisch durchgeführt und empirisch evaluiert. Das Evaluationsdesign bestand aus einer Eingangs- und Schlusserhebung (n = 52) mit offenem Fragebogen zu vier Videovignetten, um die Kompetenzentwicklung der Lehramtsstudierenden anhand ihrer professionellen Unterrichtswahrnehmung zu untersuchen, also anhand ihrer Fähigkeit, in Videovignetten lernrelevante Element 1) identifizieren und 2) wissensgesteuert verarbeiten zu können (van Es & Sherin, 2021). In Verbindung mit der Schlusserhebung wurden zudem das retrospektive Verfahren des Lauten Erinnerns (n = 11) durchgeführt, um rekonstruktiv auf die kognitiven Prozesse der Lehramtsstudierenden bei der Analyse der vier Videovignetten schließen zu können. Die Fragebogendaten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet und quantifiziert (Kuckartz, 2016), die Daten aus dem Lauten Erinnern wurden textanalytisch mit Fokus auf die Beschreibungs- und Argumentationsmuster analysiert (Brinker et al., 2018). Die statistischen Analysen der Fragebogendaten zeigen einen signifikanten positiven Einfluss bei überwiegend mittleren und großen Effektstärken der Lehrveranstaltung auf die professionelle Unterrichtswahrnehmung der Lehramtsstudierenden sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Im Zuge der Textanalyse der Daten aus dem Lauten Erinnern wurden vier sprachliche Darstellungsmuster herausgearbeitet. Sie erlauben es zwischen Wissens- und Wertebasis als Bezugsrahmen bei der Analyse der Videovignetten zu unterscheiden und darüber hinaus auch Grade der Verarbeitung der Lehrveranstaltungsinhalte zu differenzieren. Insgesamt leistet diese Dissertation einen Beitrag auf zwei Ebenen: Auf empirischer Ebenen leistet die mit den Ergebnissen zur Entwicklung der professionellen Unterrichtswahrnehmung der Lehramtsstudierenden im Zuge der Lehrveranstaltung einen Beitrag zur empirischen Lehrer*innenbildungsforschung unter dem thematischen Bezug zu Sprache*n in Lehr-/Lernprozessen. Auf hochschuldidaktischer Ebenen leistet die Dissertation mit den entwickelten und konsolidierten Gestaltungsprinzipien zur Lehrveranstaltung einen Beitrag zur Weiterentwicklung bzw. Verbesserung der hochschuldidaktischen Praxis der Lehrer*innenbildung. eng: In Austria, pupils with first languages other than German are particularly often affected by early school leaving or delays in their school careers compared to pupils with German as their first language (Herzog-Punzenberger & Schnell, 2012, pp. 248-252; Vetter, 2013, 2015, pp. 237-238). In this dissertation, the school system’s monolingual focus on German is seen as a central reason for these differences. This monolingual focus excludes significant parts of the linguistic repertoire of multilingual German-speaking pupils from learning processes at school, which makes learning processes more difficult for these pupils and impairs their knowledge acquisition, thereby structurally disadvantaging them. This dissertation therefore examines the question of how an intervention in initial teacher education – specifically a teacher education course – should be designed in order to provide pre-service teachers of different subjects with the necessary knowledge and skills that enable them to actively include the individual linguistic repertoires and communicative practices of all pupils in their future teaching practice in an equal and situationally appropriate way, as well as to promote their educational language competences in German as the language of instruction. With regard to this overarching question, a teacher education course for pre-service teachers of different subjects was developed, practically implemented and empirically evaluated. The evaluation of this teacher education course consisted of a pre- and post-test (n = 52) with an open questionnaire on four videotaped classroom situations in order to investigate pre-service teachers’ competence development on the basis of changes in their noticing of these classroom situations, so in their ability to 1) identify noteworthy features of classroom interactions and 2) to interpret these features based on their knowledge and experience (van Es & Sherin, 2021). Additionally, in combination with the post-test, stimulated recall interviews (n = 11) were conducted in order to reconstructively infer pre-service teachers’ cognitive processes during the analysis of the videotaped classroom situations. The data from the pre- and post-test were analysed using Qualitative Content Analysis (Kuckartz, 2016). The data from the stimulated recall interviews were analysed using linguistical text analysis with a focus on descriptive and argumentative patterns (Brinker et al., 2018). The statistical analyses of the questionnaire data show a significant positive influence with predominantly medium and large effect sizes of the teacher education course on pre-service teachers’ noticing in both quantitative and qualitative terms. Based on the linguistic text analysis of the stimulated recall interview data, four linguistic patterns of presentation were identified. These patterns make it possible to distinguish between knowledge and beliefs as a frame of reference in the analysis of the videotaped classroom situations and also allow to differentiate how successfully pre-service teachers have processed the contents of the teacher education course. Overall, this dissertation makes novel empirical and practical contributions: On an empirical level, the results on the development of pre-service teachers’ noticing contribute to empirical teacher education research with a thematic focus on language/s in education. On a practical level, the developed and consolidated design principles for the teacher education course contribute to the further development and improvement of practice in university-based teacher education.
|
