Werke Kafkas wandern durch die Medien in andere mediale Produkte. Um diese These zu erläutern, wurden Beispiele aus kolumbianischen Kafka-Bearbeitungen herangezogen. Es gibt zahlreiche Kafka-Bearbeitungen aus Kolumbien: Nicht nur Übersetzungen und Literaturkritische und -wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch musikalische und theatralische Inszenierungen, Filme, Hörbücher, Zeichnungen, Gemälde und literarische Bearbeitungen. Schon in der Literatur Kolumbiens hat die Auseinandersetzung mit Werken Kafkas einen hohen Stellenwert: Durch die Lektüre Kafkas sind eine Gattung und zwei literarische Strömungen entstanden. Kafka gilt in Kolumbien als einer der Väter der micro-cuentos. Außerdem geht auf ihn der realismo mágico zurück und die reciente literatura de la violencia bedient sich Kafkascher Elemente. Kafka-Bearbeitungen gehören zur medialen Migration der Werke Kafkas in Kolumbien. Sie sind ihr kolumbianisches Fortleben. Darstellungsmodi, Wahrnehmungen und Denkweisen Kafkas werden in den kolumbianischen Kafka-Bearbeitungen transformiert: 1) Sie werden an ein neues Publikum re- adressiert, 2) sie werden nach aktuellen Tatsachen neu verschlüsselt und 3) sie werden in lokale Diskurse eingebettet. Die Kultur bleibt nicht statisch. Die Kultur transformiert sich ständig, weil die Kultur an sich einen medialen Charakter besitzt. Kulturgüter werden in Medien hergestellt, prozessiert, verkettet und verwandelt, wie Walter Benjamins und Ludwig Jägers es formuliert haben. Medien aller Art haben Zugriff auf die Materialität und auf die Semantik kultureller Produkte. Dadurch entsteht eine kreative Dynamik für die konstante Aktualisierung der Kultur. Diese Dynamik wurde hier mediale Migration der Kultur genannt. Dieser Begriff bezieht sich auf die vielfältigen Bearbeitungen der Werke Kafkas in Kolumbien. Dabei handelt sich nicht ausschließlich um die empirische Rekonstruktion der Kafka-Rezeption, nämlich wann und von wem Werke Kafkas gelesen wurden, sondern vor allem um die daraus resultierende kulturelle Aneignung. ...
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