Erwin Strittmatter wurde 1912 im Kaiserreich geboren, er starb 1994 im vereinigten Deutschland. Dazwischen erlebte er zwei Weltkriege, zwei Revolutionen, die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die DDR. Ein Jahrhundertleben, das geprägt war von historischen Brüchen, Katastrophen und Zwängen, eine Erfolgsgeschichte als Autor, die nach dem Untergang der DDR noch wuchs. Annette Leo nähert sich Strittmatters Biographie mit Hilfe von Briefen, Tagebüchern, Erinnerungen von Zeitzeugen und Dokumenten, die zum großen Teil aus Strittmatters Privatarchiv stammen. Sie rekonstruiert das bisher verschwiegene Kapitel seiner Mitgliedschaft in einer Polizeiformation während des Krieges und fragt nach seinem Platz als Schriftsteller und Verbandsfunktionär in den politischen Konflikten der DDR. So entsteht nicht zuletzt auch ein lebendiges Charakterbild des höchst komplizierten und widersprüchlichen Autors. "Anders als Günter Grass hat Strittmatter die Zwiebelhäute, der ihm in den vielen Folgejahren über seine Kriegserlebnisse wuchsen, nicht mehr abgetragen und darunter geschaut. Das haben nun andere übernommen. Es ist ein deutscher Lebensweg, wie er im 20. Jahrhunderts möglich - aber nicht unausweichlich war. Durch den Vergleich mit Schriftsteller-Kollegen wie Stephan Hermlin, dem Nazi-Gegner und kritischen -Intellektuellen, wie Erich Loest, dem verführten Werwolf, zeitweiligen SED-Mitglied und später unbestechlichen Beobachter, zeigt sie, dass man sich nicht zwangsläufig so entscheiden musste, wie Strittmatter es tat. Dabei verlässt sie immer wieder den chronologischen Faden, um einzelne Abschnitte genauer zu behandeln. Ihre Erzählung des von Widersprüchen gesäumten Wegs kann auch für Menschen, die nie eine Zeile dieses Autors gelesen haben, erhellend sein. Es ist ein Erklärungsbuch für die Deutschen in Ost und West" (FR)
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