This article argues that Kant’s famous theory of "radical evil", according to which there is a natural propensity for evil as well as good in all human beings, has precedent in the medieval Franciscan intellectual tradition. In the early thirteenth century, members of this tradition, inspired by its founder Alexander of Hales, developed a novel account of free will, according to which the will is capable of choosing between equally legitimate options of good and evil. In affirming this, early Franciscans departed from the longstanding tradition of Augustine, for whom free will can only choose the good, since evil is merely a privation of the good that limits human freedom. By the same token, they anticipated the Kantian contention that freedom entails the ability to choose between good and evil maxims. Dieser Artikel argumentiert, dass Kants berühmte Theorie vom "radikalen Bösen", gemäß der es eine natürliche Anlage zum Bösen und zum Guten in allen Menschen gibt, Vorläufer in der mittelalterlichen franziskanischen intellektuellen Tradition hat. Im frühen 13. Jahrhundert entwickelten Mitglieder dieser Tradition, inspiriert von ihrem Gründer Alexander von Hales, eine neue Vorstellung vom freien Willen, gemäß der der Wille in der Lage ist, zwischen gleichermaßen legitimen Optionen des Guten und des Bösen zu wählen. Damit wichen die frühen Franziskaner von der langjährigen Tradition des Augustinus ab, für den der freie Wille nur das Gute wählen kann, da das Böse lediglich eine Mangelerscheinung des Guten ist, die die menschliche Freiheit einschränkt. Gleichzeitig antizipierten sie die kantische Behauptung, dass Freiheit die Fähigkeit beinhaltet, zwischen guten und bösen Maximen zu wählen.
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