Die US-Amerikanerin Susan Sontag (1933–2004) gilt heute als Ikone, als streitbare Intellektuelle in der Tradition Zolas und Voltaires. Doch wie wurde sie zur schillernden und ebenso umstrittenen Figur des New Yorker Kulturbetriebs? Sontags Aufstieg zur Intellektuellen ist nicht darstellbar ohne eine Rekonstruktion ihres Verhältnisses zu den sogenannten »New Yorker Intellektuellen«, einer losen Gemeinschaft von Literaturkritikern, die das New Yorker Kulturleben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dominierte. Sontag berauschte sich am Neuen in der Kunst, etwa an den Happenings, die in Greenwich Village aufblühten, und wollte sich doch nicht vom Alten und Seriösen lösen. Stephan Isernhagen zeigt, wie sie als junge Literaturkritikerin auf ihre Vorbilder, die New Yorker Intellektuellen, schaute, allmählich Kontakt aufnahm und doch eigene Akzente setzte und eigene Schwerpunkte bildete. Er verdeutlicht, wie nah sie der Neoavantgarde stand, jenen Künstlern in Greenwich Village, die sich vom Establishment distanzierten, und wie viel sie von deren ästhetischen Prämissen in ihre eigene Kunstkritik überführte. Deutlich wird, dass sie sich am »neuen Menschen« der Neoavantgarde orientierte und danach strebte, die New Yorker Intellektuellen von neuer Kunst zu überzeugen. Doch das war nicht so einfach, denn die Kunst der Neoavantgarde beruhte auf einer ästhetischen Erfahrung, die auf einem antibürgerlichen und unkonventionellen Subjektbegriff fußte. Sontags Plädoyer für den ästhetischen Wert dieser Kunst war ein Plädoyer für einen alternativen, neuartigen Subjektbegriff, der wahrhaft »freien« Entfaltung des Menschen verpflichtet. Indem sie die ästhetische Erfahrung der Neoavantgarde ernst nahm und für den ästhetischen Wert neuer Kunst stritt, kämpfte sie für die Gültigkeit alternativer Subjektkonzepte und insbesondere des »homosexuellen Subjekts«, das in der Kunst der Neoavantgarde als etwas Gewolltes und Gutes zum Ausdruck kam.Diese Arbeit wurde 2014 mit dem Dissertationspreis der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft ausgezeichnet. Susan Sontag was an icon who went on the intellectual warpath with Zolas and Voltaire, intervening time and again in politics. But how did Susan Lee Rosenblatt, as she was born in January 1933, come to be the colourful figure of New York's cultural scene that she was? As a woman who loved other women and had arrived virtually penniless with her son in late 1950s New York, how did she manage to establish herself in its largely heterosexual male-dominated literary scene of the 60s? Stephan Isernhagen locates Sontag in the cultural field of the east coast city and argues that the issues she was occupied with, the stances she adopted and the channels she directed her art criticism along had influenced New York's cultural scene long before her arrival. He works out the connection between Sontag's homosexual self-awareness, art criticism and how strongly her work as one of history's most important female intellectuals was influenced by the powers-of-society's repeated declaration of homosexual experience's inferiority.
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