Der Bürger und der Intellektuelle begegnen einander meist mit einer Mischung aus Misstrauen und Verachtung. Dennoch hat der Intellektuelle den Habitus der bürgerlichen Gesellschaft entscheidend geformt. Schon durch sein Äußeres will er vorstellen, was er ist, und hebt sich damit aus der Menge der Bürger heraus. Was er sagt, soll beachtet werden. Deshalb versucht er, durch anstößiges Verhalten sein rebellisches Denken sichtbar zu machen. In vergangenen Jahrhunderten trieb der Intellektuelle sich in den Salons und gern auch an Fürstenhöfen herum, später mischte er sich unter Lebemänner, Künstler, Dirnen, Dichterinnen und Philister. Er provozierte und brüskierte seine Umwelt, die den Tabubrecher und Misanthropen nur zu gern duldete, weil er die Grenzen des Schicklichen bestätigte, indem er sie testete. Heute bieten die Massenmedien dem Intellektuellen bessere Möglichkeiten denn je, sich zu inszenieren. Doch in der schieren Menge derer, die sich inzwischen zum Intellektuellendasein berufen fühlen, droht sein Auftritt zur allgemeinen Gewohnheit zu werden. Wird es ihm auch in Zukunft gelingen, die Gemüter zu erhitzen, die Bürger zu schrecken, gesellschaftliche Debatten zu entzünden? „Aus dem Kreis der vielen Beiträge zur Figur des Intellektuellen ragt Schlaffers Essay aber nicht nur wegen dieser Anregung zum Weiterdenken heraus. Der besondere Verdienst ihrer Arbeit zeigt sich gerade dann, wenn sie mit ihren Überlegungen darauf aufmerksam macht, dass neben der Ideen- und Begriffsgeschichte auch der Körperlichkeit von Denken ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden muss“ (literaturkritik.de)
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