Hat die Postmoderne mit dem Niedergang sämtlicher holistischer Konstrukte auch die Identität zerstört, so wie wir sie kennen? Ist Identität, die ein Individuum dauerhaft, unverwechselbar und klar von der Umwelt abgrenzt heute nicht mehr denkbar? Wolfgang Hilbigs "Ich" ist in der Forschung bisher häufig als Bejahung dieser Frage interpretiert worden, denn gemeinsam mit dem DDR-Regime bricht auch die Identität des Protagonisten in sich zusammen. Ähnlich ergeht es den Charakteren in Peter Kurzecks "Keiner Stirbt", die zur gleichen Zeit in Westdeutschland dieselbe Auflösung ihrer Identität durchleben müssen. In diesem Buch wird jedoch herausgearbeitet, daß sowohl Hilbigs "Ich" als auch Peter Kurzecks "Keiner Stirbt" Identität und Postmoderne in ein wesentlich komplexeres Verhältnis zueinander stellen. Die detaillierte Untersuchung der Zeit- und Erzählstruktur beider Romane sowie ihres Verhältnisses zur Bildungsromantradition führen zu dem Ergebnis, daß auch in der Postmoderne eine konstante, fest umrissene Ich-Identität Bestand haben kann. Lediglich die Nichtakzeptanz postmoderner Lebensumstände und das Festhalten an Sinngaranten, Weltdeutungskonzepten und "Meta-Erzählungen", die in der Gegenwart keine Gültigkeit mehr haben, führt zur Krise der Identität.
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