Aus der Einleitung: Wirklichkeit ist eines der wenigen Worte, die ohne Anführungszeichen bedeutungslos sind. Das Zitat von Nabokov meint im übertragenen Sinn, dass es keinen erkenntnisunabhängigen Zugriff auf Wirklichkeit gibt. Somit ist Wirklichkeit subjektiv und konstruiert und bedeutet auch eine Pluralität an Wirklichkeitsversionen. Die heutige Zeitspanne der Postmoderne verändert die Bedingungen hinsichtlich der Wirklichkeitskonstrukte und Identitätsstiftung von Subjekten. Die meiner Arbeit zugrunde liegenden Filme Blow Up The Draughtsmans Contract und Memento zeichnet ein postmodernes Spiel mit Wirklichkeitskriterien und damit ein Ringen um Bedeutung, um Fakt und Fiktion und Sein und Schein aus. In allen drei Filmen geht es um ein Verbrechen, das von den Protagonisten überhaupt erst über Medien festgehalten wird und auch über diese entschlüsselt werden soll. Darüber wird die Dominanz und Macht der Medien im Verhandeln um Bedeutung thematisiert. Die Filme lassen sich jedoch nicht auf das Genre des Thrillers festlegen, da es nicht zur eindeutigen Auflösung kommt und die Täter der jeweiligen Filme am Ende gefasst werden. Vielmehr handelt es sich um einen postmodernen Genremix in den einzelnen Filmen. In Blow up wird das Verbrechen über Fotografien festgehalten, wobei Roland Barthes und Susan Sontag zu den speziellen Eigenschaften von Fotografie herangezogen werden. In The Draughtsmans Contract werden Zeichnungen für das Verbrechen relevant, wobei auf den Abbildbegriff genauer eingegangen wird. Memento, der von einem Mann ohne Kurzzeitgedächtnis handelt, hält das Verbrechen oder vielmehr die vermeintliche Erinnerung daran ebenfalls auf Fotografien, aber auch Notizen und über Tätowierungen auf seinem Körper fest. Die Bedeutung von Tätowierungen früher und heute wird ebenfalls beleuchtet. Blow up und Memento spielen in der Zeit, in der sie gedreht wurden, 1966 und 2001. The Draughtsmans Contract , erschienen im Jahr 1982, spielt jedoch im 17. Jahrhundert. Man könnte meinen, es handle sich um die Rekonstruktion einer geschichtlichen Epoche im Sinne eines historischen Kostümfilms doch der Schein trügt. In postmoderner Art und Weise wird das Reale mit fiktiven Geschichtsdaten vermischt und malerische Vorbilder und Ausstattung entstammen unterschiedlichen Epochen. Geschichte dient wie die Zeichnungen im Film als Repräsentation. Alle drei Filme zeichnen sich durch eine große formale und vor allem inhaltliche Komplexität und Vielschichtigkeit aus. Der Rezipient kann die Filme je nach Weltwissen auf verschiedenen Ebenen deuten. Entweder sieht er zum Beispiel nur einen Film über zwölf Zeichnungen oder er versteht die komplexen Allegorien und Andeutungen und erkennt das Verbrechen. Gang der Untersuchung: In dieser Arbeit soll der Hauptfokus auf den Filmen liegen, die unter postmodernen Aspekten untersucht werden. Hinzu kommt ein den jeweiligen Film betreffender Blick auf Identitätsstiftung. Die dargestellte postmoderne Welt hat erhebliche Einflüsse auf die Individuen, deshalb wird hauptsächlich die Identitätsstiftung der Filmprotagonisten untersucht. Da drei Filme aus verschiedenen Jahrzehnten aufgegriffen werden, stellt sich schon die Frage nach einer Entwicklung hinsichtlich postmoderner Wirklichkeitskonstruktion in den Filmen. Zunächst wird auf den Konstruktivismus eingegangen, da die Arbeit von einer Konstruktivität der Welt/en ausgeht. Die Rolle der Medien wird daran anschließend ausgeführt. Die Methodik betreffend gehe ich die Untersuchung auf Basis des dekonstruktivistischen Ansatzes nach Jacques Derrida an.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Einleitung05 1.Wirklichkeitskonstruktion07 1.1Konstruktivismus07 1.2Medien und Wirklichkeitskonstrukte11 1.3Dekonstruktivismus als Methode17 2.Postmoderne19 2.1Postmoderne und Moderne19 2.2Postmoderne aus philosophischer Sicht23 2.3Postmoderne Aspekte im Film27 3.Identitätsstiftung29 3.1Subjektbildung29 3.2Identitätsstiftungund Moderne32 3.3Identitätsbildung als Projekt der Adoleszenz: E. H. Erikson34 3.3.1Der Begriff des Selbst34 3.3.2Identitätsdiffusion als dunkle Seite der Identitätsbildung35 3.3.3Die Krise der organisierten Moderne36 4.Blow Up (Antonioni, 1966)39 4.1Hintergrund zum Film39 4.2Inhalt40 4.3Filmanalyse unter postmodernen Aspekten42 4.4Identitätsstiftung im Film51 5.The Draughtsman's Contract (Greenaway, 1982)53 5.1Hintergrund zum Film53 5.2Inhalt55 5.3Filmanalyse unter postmodernen Aspekten57 5.4Identitätsstiftung im Film67 6.Memento (Nolan, 2001)68 6.1Hintergrund zum Film68 6.2Inhalt68 6.3Filmanalyse unter postmodernen Aspekten69 6.4Identitätsstiftung im Film79 Fazit82 Verzeichnisse84Textprobe:Textprobe: Kapitel 3, Identitätsstiftung: Subjektbildung: Die Subjektbildung betreffend bezieht sich dieser Abschnitt auf ein Werk aus der feministischen Praxis. Dieses wurde verwendet, da es einen guten Überblick bietet und nicht, um einen feministischen Fokus in diese Arbeit zu bringen und zu verfolgen. Der Begriff Subjekt taucht schon in griechischen und lateinischen Quellen auf, wird aber erst mit der Aufklärung Ende des 17. Jahrhunderts zum zentralen Konzept philosophischen Denkens. Häufig wird der Begriff Subjektivität zum Definitionsmerkmal der Moderne gemacht. Subjekt wird in Abgrenzung von humanistischen Begriffen wie Selbst, Persönlichkeit, Individuum verwendet. Das Subjekt ist der Ausgangspunkt für Erkenntnis; Subjektivität ist Bedingung, aber auch Grenze von Erkenntnisfähigkeit. Bis zur idealistischen Tradition sieht die neuzeitliche Philosophie im Subjekt die substanzielle Voraussetzung von Erkenntnis. Die Einheit dieses transzendentalen, freien und selbstreflexiven Subjekts begründe die Identität des Menschen und die Einheit seiner Erfahrung. Die nachidealistische Tradition betont hingegen die Abhängigkeit des Subjekts von seiner Umgebung. Zentral ist in beiden Auffassungen die Frage nach dem Verhältnis des Subjekts zu Objekten und anderen Subjekten und damit letztlich die Frage nach Selbst-Erkenntnis. Nach Hegel erkennt sich das Ich durch die Reflexion im Anderen (Alterität). Fichte argumentiert dagegen, dass die Wahrnehmung von Ähnlichkeit immer schon eine Vorstellung vom Ich voraussetzt. In der nach-idealistischen Philosophie wird die Autonomie und Intentionalität des Subjekts infrage gestellt. Zunehmend wird Subjektivität als Gegenpol zu empirischer Objektivität verstanden, sie bezeichnet nur noch die Grenze beziehungsweise Unmöglichkeit von Erkenntnis. Diese anti-subjektive Tendenz führt im 20. Jahrhundert jedoch nicht zur Aufgabe, sondern zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Subjektbegriff. Edmund Husserl und Jürgen Habermas betrachten Subjektivität primär im Kontext der Intersubjektivität, die nach Habermas die Aporien klassischer Subjektphilosophie vermeidet. Die Kritische Theorie führt den Begriff erneut auf seine etymologische Wurzel zurück. Das unterworfene Subjekt existiere nur innerhalb eines vorgegebenen Netzes von Sprache, Herrschaft und Ideologie oder, wie bei Michel Foucault, von Diskursen. Neben diesen gesellschaftskritischen Ansätzen ist für das postmoderne Verständnis von Subjektivität auch die Theorie Jacques Lacans von Bedeutung. Während bei Hegel das Selbstbewusstsein durch Reflexion im Anderen entsteht, betont Lacan, dass dieses Spiegelbild nicht mit dem Ich übereinstimmt. (Spiegel/Spiegelstadium). Aufgrund dieser Verkennung ist das Subjekt gespalten, das wahrnehmende und das wahrgenommene Ich sind nicht mehr deckungsgleich. Lyotard radikalisiert die postmoderne Subjektskepsis und spricht in Anlehnung an Barthes Tod des Autors vom Tod des Subjekts. Neuere Studien verteidigen hingegen das Subjekt als Ort sprachlicher Innovation und Kreativität, welche sich nicht nur als Effekte von Sprachmechanismen erklären lassen. Die feministische Kritik setzt bei der vermeintlichen Geschlechtsneutralität des rationalen (cartesianischen) Subjektbegriffs an, der die Frau vordergründig einschließt, sie tatsächlich aber als angeblich nicht-rationales Wesen ausschließt. Neben der Dichotomie rational/emotional werden auch Oppositionen wie Geist/Körper, Subjekt/Objekt als Konstrukte kritisiert, mit deren Hilfe die Frau als das Andere des männlichen Subjekts definiert wird. Die Erkenntnis, dass Subjekte sozial, sprachlich und biologisch determiniert sind, ermöglicht nach Simone de Beauvoir, die Auffassung des so genannten natürlichen Geschlechts infrage zu stellen. Da Vorstellungen von Weiblichkeit kulturell vorgegeben sind, ist auch weibliche Subjektivität zumindest zum Teil ein Produkt von Diskursen. Die liberale, aufklärerische Subjektkonzeption findet sich in der Rezeption und Entwicklung postmoderner Ansätze wieder. Das Subjekt der Aufklärung wird aus heutiger Sicht als autonom im Innersten gesehen, als vernünftig, wenngleich Druck von außen ausgeübt wurde. Die Subjektkonzeption der Aufklärung beinhaltet eine spezifische politische Haltung der Interessendurchsetzung. Da... Inhaltsangabe:Einleitung: Wirklichkeit ist eines der wenigen Worte, die ohne Anführungszeichen bedeutungslos sind. Das Zitat von Nabokov meint im übertragenen Sinn, dass es keinen erkenntnisunabhängigen Zugriff auf Wirklichkeit gibt. Somit ist Wirklichkeit subjektiv und konstruiert und bedeutet auch eine Pluralität an Wirklichkeitsversionen. Die heutige Zeitspanne der Postmoderne verändert die Bedingungen hinsichtlich der Wirklichkeitskonstrukte und Identitätsstiftung von Subjekten. Die meiner Arbeit zugrunde liegenden Filme Blow Up The Draughtsmans Contract und Memento zeichnet ein postmodernes Spiel mit Wirklichkeitskriterien und damit ein Ringen um Bedeutung, um Fakt und Fiktion und Sein und Schein aus. In allen drei Filmen geht es um ein Verbrechen, das von den Protagonisten überhaupt erst über Medien festgehalten wird und auch über diese entschlüsselt werden soll. Darüber wird die Dominanz und Macht der Medien im Verhandeln um Bedeutung thematisiert. Die Filme lassen sich jedoch nicht auf das Genre des Thrillers festlegen, da es nicht zur eindeutigen Auflösung kommt und die Täter der jeweiligen Filme am Ende gefasst werden. Vielmehr handelt es sich um einen postmodernen Genremix in den einzelnen Filmen. In Blow up wird das Verbrechen über Fotografien festgehalten, wobei Roland Barthes und Susan Sontag zu den speziellen Eigenschaften von Fotografie herangezogen werden. In The Draughtsmans Contract werden Zeichnungen für das Verbrechen relevant, wobei auf den Abbildbegriff genauer eingegangen wird. Memento, der von einem Mann ohne Kurzzeitgedächtnis handelt, hält das Verbrechen oder vielmehr die vermeintliche Erinnerung daran ebenfalls auf Fotografien, aber auch Notizen und über Tätowierungen auf seinem Körper fest. Die Bedeutung von Tätowierungen früher und heute wird ebenfalls beleuchtet. Blow up und Memento spielen in der Zeit, in der sie gedreht wurden, 1966 und 2001. The Draughtsmans Contract , erschienen im Jahr 1982, spielt jedoch im 17. Jahrhundert. Man könnte meinen, es handle sich um die Rekonstruktion einer geschichtlichen Epoche im Sinne eines historischen Kostümfilms doch der Schein trügt. In postmoderner Art und Weise wird das Reale mit fiktiven Geschichtsdaten vermischt und malerische Vorbilder und Ausstattung entstammen unterschiedlichen Epochen. Geschichte dient wie die Zeichnungen im Film als Repräsentation. Alle drei Filme zeichnen sich durch eine große formale und vor allem inhaltliche Komplexität und [...
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