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ger: Seismische Ereignisse werden immer wieder über die gewöhnliche Medienberichterstattung hinaus sprachlich und künstlerisch bearbeitet. Damit übernehmen Literatur, Film und Kunst nicht vor, sondern nach Erdbeben eine seismografische Tätigkeit, die über die rein metaphorische, auf das Subjekt bezogene Konzeptionalisierung von Seismografie hinausreicht, wie sie Hugo von Hofmannsthal in seinem Vergleich des Dichters mit dem Seismografen vorgenommen hat (1906). Die Dissertation versteht die Ergebnisse solcher kurz-, mittel- und langfristigen diskursiven Bearbeitung seismischer Ereignisse in verschiedenen künstlerischen Medien als ‚Seismografien‘. Sie entstehen im Wechselverhältnis von Aktion und Reaktion, von Emergenz und Latenz, von Medialität und Materialität und lassen sich in der Verschränkung lokaler Praktiken und – speziell im 21. Jahrhundert – globaler Transferprozesse an der Schnittstelle geisteswissenschaftlicher Katastrophenforschung und literaturwissenschaftlicher Kulturtransferforschung beschreiben. Mit literarischen Texten von Josef Haslinger, Christine Rinderknecht, Emmanuel Carrère, Yanick Lahens, Louis-Philippe Dalembert, Paul Cleave und Yoko Tawada sowie filmischen und künstlerischen Bearbeitungen von Paolo Sorrentino, Roberto Saviano und Ai Weiwei konzentriert sich die Studie auf die jüngsten Erdbebenereignisse in Asien (Indonesien 2004, China 2008, Japan 2011), Europa (Italien 2009), der Karibik (Haiti 2010) und Ozeanien (Neuseeland 2011). Ästhetisierung, Politisierung, Popularisierung, Situierung, Marginalisierung und Globalisierung von Katastrophen sind die Leitbegriffe, mit denen die Transnationalität diskursiver Bearbeitung von Erdbebenereignissen und ihre Übertragung in diverse Medien untersucht werden. Die Identifizierung und Lokalisierung allgemeiner Muster, nicht unähnlich der seismologischen Tätigkeit bei der Auswertung von Seismogrammen, stellt einen paradigmatischen Fall komparatistischer Forschung dar. So verschränkt sich im Begriff der Seismografien die seismografische Tätigkeit mit der Aufgabe ihrer wissenschaftlichen Beschreibung und Analyse. Das Aufschreibesystem des Seismografen, dessen Interesse sich auf das Verzeichnen von Schwankungen richtet, registriert Kontinuität, Permanenz und stetige Transformation, zielt aber nicht auf eine abschließende Fixierung oder Stabilisierung der beobachteten Systeme; insofern werden Seismografien hier modellhaft auch für Ansatz und Aufgabe der Komparatistik erprobt. eng: Seismic events are repeatedly treated beyond the usual media coverage by the arts. In this way, literature, film, and art act like seismographs not before but after earthquakes. This concept goes beyond the purely subject-related metaphorical conceptualization of seismography, which goes back to Hugo von Hofmannsthal’s comparison of the poet with the seismograph (1906). The dissertation calls the results of such short-, medium- and long-term discursive processing of seismic events in various media Seismographies. They develop in the correlation of action and reaction, emergence and latency, mediality and materiality. Interweaving local practices and - especially in the 21st century - global transfer processes, Seismographies are describable at the crossroads of disaster research in the humanities and cultural transfer research in literary studies. With literary texts by Josef Haslinger, Christine Rinderknecht, Emmanuel Carrère, Yanick Lahens, Louis-Philippe Dalembert, Paul Cleave and Yoko Tawada, as well as cinematic and artistic works by Paolo Sorrentino, Roberto Saviano, and Ai Weiwei, the study focuses on recent earthquakes in Asia (Indonesia 2004, China 2008, Japan 2011), Europe (Italy 2009), the Caribbean (Haiti 2010) and Oceania (New Zea-land 2011). The key terms used to examine the transnationality of discursive processing of earthquakes and their transmission in various media are aestheticization, politicization, popularization, localization, marginalization, and globalization of catastrophes. Identifying general patterns, not unlike the seismologist’s activity of analyzing seismograms, constitutes a paradigmatic case of comparative literature. The seismograph registers continuity, permanence, and constant transformation but does not aim at stabilizing the observed systems; in this respect, Seismographies are tested here as models for the approach to and tasks of comparative literature.
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