CfP/CfA Veranstaltungen

Übersetzernachlässe in globalen Archiven

Beginn
25.11.2019
Ende
30.11.2019
Deadline Abstract
01.11.2019

Internationale Tagung

25. bis 27. November 2019, Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
27. November 2019, Fondation Maison des Sciences de l’Homme (FMSH), Paris
28. bis 30. November 2019, Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC), Caen

Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung GmbH aus Mitteln der DVA-Stiftung


„Übersetzernachlässe in globalen Archiven“
 

„Weltliteratur als übersetzte Literatur“: Das mag der Grundsatz einer transnationalen und globalen Perspektive auf Literatur sein, in der die Figur des Übersetzers als Nomade der Mehrsprachigkeit eine zentrale Rolle für die Literaturvermittlung spielt. Neben anderen Akteuren wie Autorinnen und Autoren, Lektorinnen und Lektoren und Verlagen sind es aus dieser Perspektive zweifellos die Übersetzerinnen und Übersetzer, die letztendlich sprachlich die Literaturen der Welt in Bewegung setzen. In dieser Rolle sind sie nicht nur zuständig für die Übertragung, sondern auch für die Herstellung eines noch nicht existierenden und lesbaren Originals, d.h. eines neuen Manuskripts zu einem Werk, das am literarischen System aktiv teilnehmen will. Anders als das „originale“ Manuskript entsteht das übersetzte Manuskript unausweichlich aus der Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Sprachen und zwischen mindestens zwei mehr oder weniger stabilisierten Urfassungen, die in der Werkstatt des Übersetzers immer mitzudenken sind.

Übersetzernachlässe gelten in diesem Kontext nicht nur als Wissens- und Literaturquellen, sondern auch als Räume, in denen die Werkstatt und das Projekt des Übersetzens sichtbar werden. Ein Blick in diese Werkstatt ermöglicht nicht nur die Rekonstruktion einer intensiven Rezeptionsgeschichte, sondern auch der Diskussion von Fragen der Lesbarkeit, der Übersetzbarkeit und der Stabilität einer vermeintlichen (neuen) Urfassung, die an ihrer Quelle bereits flüchtig, vielfältig und mehrsprachig in ihrer Entstehung ist. Im Vergleich zu anderen Nachlässen zeugen Übersetzernachlässe vor allem von translingualen Konflikten zwischen Alterität und Identität und von der Unbeständigkeit eines Originals, dessen Textbestand eher aus der Diversität, der Mehrsprachigkeit und nicht aus der Stabilität oder der Einheit kommt. Geht man davon aus, dass das Übersetzen selbst eine Art konstante Produktion und Revision von Wissen ist, können Übersetzernachlässe als Quelle betrachtet werden, in der sich das neue und immer wieder infrage gestellte Wissen in einem eigenen epistemologischen Status strukturiert.

Das DLA Marbach verfügt über zahlreiche Übersetzernachlässe sowie Archivbestände, die in direktem Zusammenhang mit Übersetzung stehen. Darunter sind bedeutende Namen der deutschen Literaturgeschichte wie Bertolt Brecht, Walter Boehlich, Elisabeth Borchers, Anneliese Botond, Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger, Erich Fried, Peter Handke, Stefan George, August Wilhelm Schlegel, Peter Szondi, Hans Stillet, Ludwig Tieck und Hans Wollschläger. Diese Bestände und Nachlässe sind Teil einer reichen Literatur- und Kulturtransfergeschichte und dokumentieren eine lange Auseinandersetzung zwischen einzelnen Literaturen sowie eine umfangreiche Reflexion über das Übersetzen selbst. Die Übersetzungstheorie und -praxis von A. W. Schlegel etwa gilt in diesem Kontext als grundlegender Baustein für die deutsche Romantik. Vergleichbar in der Moderne sind die Übersetzungen und theoretischen Ansätze von Rainer Maria Rilke, Paul Celan, Peter Urban, der Übersetzer von Velimir Chlebnikov, und letztendlich von Erika und Elmar Tophoven. Darüber hinaus stehen mit den zahlreichen Verlagsarchiven (Suhrkamp, Insel, Luchterhand, Piper, S. Fischer, Rowohlt u.a.) auch Materialien zu Übersetzungen zur Verfügung, die für die Sozial- und Geisteswissenschaften in Deutschland eine wichtige Rolle spielen; ebenso kann das Gefüge zwischen Verleger/in, Lektor/in und Übersetzer/in in den Blick genommen werden.

Grundsätzlich gilt für die Übersetzernachlässe zudem, dass sie sich durch Mehrsprachigkeit auszeichnen. So umfassen die DLA-Bestände nicht nur die handschriftlichen Materialien von Übersetzer/innen, die sich mit der Übertragung anderer indoeuropäischer Sprachen ins Deutsche beschäftigten, sondern auch Manuskripte von Übersetzer/innen, die sich dem Finnischen, Ungarischen, Chinesischen, Arabischen, Hebräischen und den indischen Sprachen widmen.

Anliegen der Marbacher Tagung ist es, Nachlässe von (v.a. literarischen) Übersetzerinnen und Übersetzern systematisch in den Blick zu nehmen und auf ihren Forschungswert zu befragen.

Auf Basis einer übersetzungstheoretischen Diskussion soll dies anhand konkreter Bestandsbeispiele ausgelotet werden. Neben prominenten Beständen des DLA sollen dabei auch Nachlässe aus anderen Institutionen (z.B. Instituto Cultural Judaico Marc Chagall, Brasilien, Nachlass Herbert Caro; Ibero-Amerikanisches Institut, Berlin, Nachlass Curt Meyer-Clason) in den Blick kommen.

Zu diskutieren sein werden dabei auch die Chancen und Grenzen der computergestützten Übersetzung literarischer Texte: Wie verändert sich die Rolle des Übersetzers vor dem Hintergrund aktueller technologischer Entwicklungen und Möglichkeiten? Ist der Übersetzer für das Entstehen von Poetizität unabdingbar? Ist die Lyrikübersetzung durch die visuelle und lautmalerische Übertragung eine besondere Art der Übersetzung, eine parataktische Übersetzung, die sich als autonomer Text erweist? Hierbei gilt es auch, die Potentiale digitaler Tools für die Übersetzungsforschung auszuloten, auch mit Blick auf die Besonderheiten der Lyrikübersetzung.

Die Tagung ist als Doppeltagung angelegt. Im unmittelbaren Anschluss an die Tagung am DLA Marbach findet eine korrespondierende Tagung am IMEC (Institut Mémoires de l’édition contemporaine) in Caen statt, die den Fokus auf die Übersetzung von sozial- und geisteswissenschaftlichen Texten legen wird. Eine Präsentation von in Caen befindlichen Übersetzernachlässen wird diesen Teil der Tagung eröffnen, die in enger Zusammenarbeit mit der Forschergruppe ERLIS der Universität Caen organisiert wird. Neben der grundlegenden Reflexion auf übersetzungstheoretische Fragen werden verschiedene Einzelstudien im Zentrum dieser Tagung stehen, die an Übersetzernachlässen in unterschiedlichen Sprachen arbeiten, die im IMEC aufbewahrt werden: die Übersetzung ins brasilianische Portugiesisch, aus dem Italienischen ins Französische, dem Deutschen ins Französische oder aus dem Russischen.

www.penserenlangues.com

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

World Literature/Weltliteratur, Übersetzung allgemein, Übersetzungstheorie
Übersetzernachlässe

Links

Einrichtungen

Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
Maison des Sciences de l'Homme Paris (MHS)
Institut Mémoires de l’édition contemporaine (IMEC)

Verknüpfte Ressourcen

Projekte und Forschung

Penser en langues – In Sprachen denken

Veranstaltungen

Übersetzernachlässe in globalen Archiven
Beitrag von: Franziska Humphreys
Datum der Veröffentlichung: 01.11.2019
Letzte Änderung: 16.10.2020