Konferenzen, Tagungen

„‚Tipping Points‘. Balanceakte in der Literatur und Kultur“, Bergische Universität Wuppertal (28. Juni 2024)

Beginn
28.06.2024
Ende
28.06.2024

In Zeiten großer Unsicherheit ob der (In-)Stabilität von Strukturen aller Arten sehen sich die Literatur- und Kulturwissenschaften mehr denn je mit Fragen nach Verantwortung, Abhängigkeiten und Verletzlichkeit konfrontiert: Die Verstrickung von menschlichem Leben und anderen Lebensformen wird zunehmend komplexer (vgl. Tsing 2015), der anthropozäne Mensch ist selbst längst zur Naturgewalt geworden (vgl. Horn/Bergthaller 2019: 59). Wie schon Gladwell (2001) herausstellt, sind die Beispiele für Kontexte, in denen der sprichwörtliche Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat, zahlreich; seien es der Klimawandel, politische Entwicklungen und Konflikte oder Balanceakte auf kleinerer, persönlich-individueller Skala. Diese und andere Themen haben Eingang in vielgestaltige Narrationen gefunden (Romane, filmische Erzeugnisse, Games etc.), die es sich zu untersuchen lohnt. 

Diese Tipping Points (Kipppunkte) sind oftmals nur vage bzw. intuitiv bestimmbar. Auch eine präzise Definition gestaltet sich schwierig, sodass eine disziplin- und phänomenübergreifende Bestimmung bislang nicht auszumachen ist. Weit gefasst bezeichnen Tipping Points „Momente[], an denen ein quantitativer Zuwachs in einen qualitativ anderen Zustand umschlägt“ (Horn/Bergthaller 2019: 211). Ähnlich wertfrei definiert das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache den Kipppunkt als „Ausgangspunkt bzw. Abschnitt in einer Entwicklung, ab dem bestimmte Prozesse sich selbst beschleunigen, außer Kontrolle geraten und nicht mehr rückgängig zu machen sind; Punkt, bei dessen Überschreiten ein System aus dem Gleichgewicht gerät“ (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache 2024). Anderen Bestimmungsversuchen gegenüber bieten diese Ansätze den Vorteil, dass sie sowohl ‚positiven‘ als auch ‚negativen‘ Tipping Points Rechnung tragen. Denn im Gegensatz zu dem alltagssprachlich häufig negativ konnotierten Begriff betrachtet etwa die Soziologie, die das Konzept bereits in den 1950er Jahren etabliert hat (vgl. Grodzins 1957), in den vergangenen Jahren vermehrt positive Tipping Points und analysiert mögliche Trigger, die ein gesellschaftlich ‚wünschenswertes‘ Verhalten bekräftigen können (vgl. Lenton u. a. 2022). 

Die Literatur und andere Künste sind für die Erprobung gesellschaftlicher Prozesse besonders prädestiniert: Sie können als Versuchsanordnungen dienen und so Potenziale, Versäumnisse und Gefahren aufzeigen. Mit Blick auf bestimmte Gattungen kann gegenwärtig ein hohes Aufkommen entsprechender Thematiken beobachtet werden. Vom autobiografischen und ‑fiktionalen Erzählen (Benjamin von Stuckrad-Barre: Noch wach?) über Science Fiction (Raphaela Edelbauer: DAVE) bis hin zu Climate Fiction (Roman Ehrlich: Malé) bzw. Social Fiction (Sibylle Berg: GRM) – die Liste literarischer Beispiele allein aus dem deutschsprachigen Raum ist schier unendlich und zeigt, dass Formen des Erzählens einem Prozess der Entwicklung unterliegen. Auch nicht-menschlichen Perspektiven wird angesichts akuter Problemlagen eine Stimme verliehen und „intentionale Handlungsmacht“ bzw. „kausale Wirkmacht“ zugestanden (Horn/Bergthaller 2019: 63). Auf diskursiver Ebene – in Hinblick auf den literarischen Markt und seine Wirkung – präsentiert sich Text als literarisch fixierte Momentaufnahme gesellschaftlicher (Wertungs‑)Prozesse (Kim de l’Horizon: Blutbuch).

Veranstaltungsort ist: 

die börse Wuppertal

Wolkenburg 100

42119 Wuppertal

Programm:

11:30 Ankunft 

11:40 Begrüßung 1

1:45 – 12:15 Camille Englert„Seiltanz in der ‚Eva der Zukunft‘ von Villiers de l’Isle-Adam“

12:20 – 12:40 Jens Niklas van Laack „Wolodymyr Selenskyj: Reden gegen den Krieg; ein Tipping Point?“

12:45 – 13:15 Bernhard Hertlein „Kipppunkt erkennen, Kipppunkt verhindern - Eine Herausforderung für Literatur und Literaturwissenschaft“

13:15 – 13:55 Mittagspause 

13:55 – 14:15 Paula Seifert „Modernisierung, Militarismus und Widerstand - Tipping Points in Kurt Tucholskys Gedicht ‚Arbeit tut not –!‘“

14:20 – 14:40 Kathrin Ziolkowski „KI in der Arbeitswelt am Beispiel von Tesla“

14:45 – 15:15 Sören Barkey „Mimikry und Maskerade – Formen von Tarnung und Täuschung hinsichtlich der Irreversibilität gesellschaftlicher und erdsystemischer Kipppunkte in Eckhart Nickels ‚Hysteria‘ und Karen Duves ‚Macht‘.“

15:15 – 15:45 Kaffee 

15:45 – 16:15 Marco Maffeis „Die Peripetie als Tipping Point und der Barbie-Film als klassisches Drama? Ein vergleichender Stresstest“

16:20 – 16:40 Kubilay Cumur „Gemeinsam gegen das Böse: Der Schwur im Klub der Verlierer“

16:45 – 17:05 Said Nom „Vom Chemielehrer zum Drogenbaron-Tipping Points zur Charakterentwicklung von Walter White in ‚Breaking Bad‘“

17:05 Abschluss

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Digital Humanities, Literaturgeschichtsschreibung (Geschichte; Theorie), Literaturtheorie, Poststrukturalismus, Rezeptionsästhetik, Postkoloniale Literaturtheorie, Ecocriticism, Medientheorie, Erzähltheorie, Schriftlichkeit, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Intermedialität, Fiktionalität, Stoffe, Motive, Thematologie

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Einrichtungen

Bergische Universität Wuppertal (BUW)
Allgemeine Literaturwissenschaft

Adressen

Wolkenburg 100
42119 Wuppertal
Deutschland

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Calls for Papers

Call for Abstracts: Studientag: „‚Tipping Points‘. Balanceakte in der Literatur und Kultur“, Bergische Universität Wuppertal (28. Juni 2024)
Beitrag von: Ben Sulzbacher
Datum der Veröffentlichung: 24.06.2024
Letzte Änderung: 24.06.2024