CfP/CfA Veranstaltungen

Panel Deutscher Germanistentag 2025: Das Netzwerk als Erzählmodell. Dialogizität und komplexe Systeme in der Literatur

Beginn
14.09.2025
Ende
17.09.2025
Deadline Abstract
11.08.2024

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts avanciert das Netzwerk zur Metapher einer spezifisch modernen Sozialform, die die Erfahrung von wachsender Kommunikationsdichte und Komplexität im Zuge von Fernverkehr, -handel und -kommunikation abbildet (Friedrich; Gießmann) und die späterhin zum Bild für Globalität schlechthin avanciert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich parallel dazu und bis heute literarische Formen herausbilden, in denen sich diese Erfahrung komplexer, netzwerkartiger Verbindungen niederschlägt (Hayles; Levine; Mazzoni; Büttner): Zusätzlich zur Aufnahme von konkreten Netzwerktechniken in der Literatur (etwa Telegraphie, Internet) scheinen sich Netzwerkstrukturen in Figurenkonstellationen und Kommunikationsanordnungen abzubilden (z.B. in Brief- und Gesellschaftsromanen, in Schicksalsnovellen mit ihren ex post enthüllten Figuren-Beziehungen usw.).

Dabei lässt sich von einem Netzwerk sprechen, wenn mindestens drei Aktanten miteinander in Kontakt treten: Es handelt sich um eine Kommunikation der Vielen, die oft vermittelt über Knotenpunkte miteinander in Verbindung stehen. Kommunikation verläuft dabei tendenziell an mehreren Punkten und zwischen mehreren Figuren gleichzeitig. Das lenkt den Blick auf Kontingenzmomente von Kommunikation, Synchronisierungsprobleme sowie deren Beobachtbarkeit, wenn wir davon ausgehen, dass solche Knotenpunkte Personen, Orte oder auch Ereignisse darstellen können, die ein Netzwerk textuell überhaupt erst inszenierbar machen. Solche Knotenpunkte werden häufig erst aus einer Beobachtung zweiter Ordnung ex post medial vermittelt (etwa durch Zeitungen) oder erst von den Lesenden identifiziert (Gumbrecht). Über diese Knotenpunkte wird also versucht, synchron verlaufende Informations- und Erzählstränge medial zu plausibilisieren.

In unserem Panel wollen wir anhand von literarischen Fallstudien die Darstellbarkeit von Netzwerken in literarischen Texten vom Ende des 18. und bis ins 21. Jahrhundert untersuchen. Mit Blick auf das Thema des Germanistentages soll insbesondere danach gefragt werden, inwieweit sich das literaturtheoretisch etablierte Konzept der Dialogizität, das sich auf die Figurenperspektive (Polyperspektivität) und/oder auf die Erzählperspektive (Mehrsträngigkeit) beziehen kann (Schmid 2014), als textuelles Darstellungsverfahren von Netzwerken eignet. Dabei möchte das Panel über herkömmliche narratologische Erklärungsmuster hinausgehen und interdisziplinäre Bezüge zu Medien- und Technikgeschichte herstellen (Ahnert). Im Sinne der These des Soziologen W. Lepenies, wonach die Romane des 19. Jahrhunderts Modellversuche einer Soziologie avant la lettre darstellen, können auch sozialwissenschaftliche Perspektiven herangezogen werden.

Für die Teilnahme bitten wir bis zum 11.08.2024 um die Einsendung von Kurz-Abstracts mit Themenvorschlägen (gern mit literarischen Fallbeispielen), einschließlich Arbeitstitel, Kurzbiografie und institutioneller Anbindung an Urs Büttner (urs.buttner@mod-langs.ox.ac.uk), Lea Liese (lea.liese@unibas.ch) und Yashar Mohagheghi (y.mohagheghi@germlit.rwth-aachen.de). 

 

Literatur

  • Ahnert, Ruth u.a,: The Network Turn. Changing Perspektives in the Humanities. Cambridge: Cambridge UP 2021.
  • Büttner, Urs: Globalgeschichte erzählen. Zur Narratologie Globaler Literatur und Literaturgeschichtsschreibung, in: Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 67. Bd. (2023), 441–455.
  • Friedrich, Alexander: Metaphorologie der Vernetzung. Zur Theorie kultureller Leitmetaphern, Paderborn: Fink 2015.
  • Gießmann, Sebastian: Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netze und Netzwerke, Berlin: Kadmos 2016.
  • Gumbrecht, Hans Ulrich: Historisierung der Beobachtung zweiter Ordnung, in: Gumbrecht, Hans Ulrich u.a. (Hg.): Beobachtung zweiter Ordnung im historischen Kontext. Niklas Luhmann in Amerika, Paderborn u. a.: Brill 2013, 7–21.
  • Hayles, N. Katherine: Chaos and Order: Complex Dynamics in Literature and Science. Chicago: University of Chicago Press 1991.
  • Lepenies, Wolf: Die drei Kulturen. Soziologie zwischen Literatur und Wissenschaft, Frankfurt a. M.: Fischer 2002.
  • Levine, Caroline: Forms. Whole, Rhythm, Hierarchy, Network, Princeton, Oxford: Princeton UP 2017.
  • Mazzoni. Guido: Theory of the Novel. Cambridge, London: Harvard UP 2017.
  • Schmid, Wolf: Elemente der Narratologie, Berlin, Boston: De Gruyter 2014.
Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur aus Deutschland/Österreich/Schweiz, Literatur des 18. Jahrhunderts, Literatur des 19. Jahrhunderts, Literatur des 20. Jahrhunderts

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Datum der Veröffentlichung: 01.07.2024
Letzte Änderung: 01.07.2024