CfP/CfA Veranstaltungen

Doppelpanel Deutscher Germanistentag 2025: Dialog und Störung um 1800. Täuschung, Konflikt und Missverstehen

Beginn
14.09.2025
Ende
17.09.2025
Deadline Abstract
31.08.2024

Der Dialog ist das entscheidende gattungspoetologische Merkmal des dramatischen Theaters um 1800. In ihm korrelieren formale Struktur und idealistisch-aufgeklärte Perspektive auf den Menschen als Handlungsträger der literarischen Gattung und in der Welt. Statt aus einer höheren Ordnung, sei es einer theologisch oder feudal begründeten, entsteht der Kosmos des bürgerlichen Dramas aus dem zwischenmenschlichen Bezug (vgl. Szondi 1954). »Im dramatischen Theater«, so führt Lehmann (2015, 295) diese Argumentation fort, »wird der Held allererst durch das Spiel des Dialogs ›erfunden‹.«

Dabei ist entscheidend, dass nicht die Idee des Dramas um einen dialogisch-kommunikativen Zug ergänzt wird, von dem schon vorher mehr oder weniger klar war, worin er besteht. Vielmehr nimmt die Figuration und Theoretisierung des dramatischen Dialogs Einfluss darauf, wie die Vorstellung dialogischer Kommunikation auch darüber hinaus als ein Modell der sozialen Sphäre gedeutet wird (vgl. Weise 2024). Ein »öffentlicher Charakter der Kunst«, den Jürgen Habermas in Der philosophische Diskurs der Moderne anhand der ästhetischen Utopie Friedrich Schillers auch als »kommunikative Vernunft« beschreibt (vgl. Habermas 1988) und dadurch eine zentrale Argumentationsfigur aktueller kantianischer Vorstellungen von Politik entwirft, ist schon bei G. E. Lessing als die Idee der sich in der Sprache des Dialogs fühlenden Menschheit angelegt. Den Dialog als ein seinem Wesen nach rationales Geschehen zu begreifen, ist jedoch bereits mit Blick auf Texte der genannten Dramatiker ein Zerrbild. Auch in Bezug auf öffentliche Debatten ist die Vorstellung einer dialogischen, verfestigte Denkmuster gleichsam verflüssigenden Kommunikation revisionsbedürftig, wie sich gegenwärtig besonders an der Diskursordnung und Affektproduktion der sozialen Medien zeigt.

Vor diesem Hintergrund fragt das Doppelpanel nach einem anderen Dialogverständnis, das sich auf die Störungen und Dysfunktionen im dramatischen Dialog konzentriert: anti-kommunikative Sprachhandlungen wie Lüge, Manipulation und Täuschung, nicht zu bewältigende, von negativen Affekten wie Wut, Neid oder Hass begleitete Konflikte und Auseinandersetzungen, die ein dem Dialog inhärentes Prinzip der Reziprozität aufkündigen, oder auch absichtliches oder unbewusstes Missverstehen, in dem eine intersubjektive Aneignung von Wirklichkeit ins Leere läuft. Zu erläutern ist dabei, inwieweit diese ‚Störungen‘ als Teil eines Dialogverständnisses zu begreifen sind, das nicht ausschließlich auf Gelingen oder Konsens eingestellt ist, sondern Unversöhntes, Differenzen und Alterität mitzudenken in der Lage ist.

Im literaturgeschichtlichen Schwerpunkt auf die Zeit um 1800 zielt das Doppelpanel auf die zeitspezifische, am Dialog verlaufende Verschränkung von dramatischer Produktion und poetologischer Reflexion. Gesucht werden dabei sowohl Untersuchungen des Dialogs und seinen Störungen, wie sie sich anhand poetologischer und dramentheoretischer Schriften darstellen (Panel 1), als auch Annäherungen an Dialogformen und ihrer Verwerfungen in dramatischen Texten (Panel 2).

Einreichungsdetails:

Abstracts (ca. 1 Seite + biobibliographische Informationen) sind bis zum 31. August 2024 an voelker@em.uni-frankfurt.de und weise@tfm.uni-frankfurt.de zu senden.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur aus Deutschland/Österreich/Schweiz

Ansprechpartner

Beitrag von: Marten Weise
Datum der Veröffentlichung: 28.06.2024
Letzte Änderung: 01.07.2024