Zwischen Traum, psychischer Krankheit und dichterischer Kreativität wurden in der Wissensgeschichte vielfach Analogien behauptet. Thema der Dissertation ist eine bestimmte Ausprägung dieses Topos im Kontext von Poetiken, deren Wirkungsästhetik besonders stark auf kritische Erkenntnis, auf den Wahrheitsanspruch literarischer Weltdeutung und -erklärung zentriert ist. 'Traumarbeit' erscheint in diesem Kontext als ein alternativer Erkenntnisweg, ein 'anderes Denken', das auf die Erkenntnis kollektiv verdrängter, von den Regeln des geordneten Diskurses quasi systematisch verschleierter 'Wahrheiten' abzielt. 'Traumarbeit' bezieht sich dabei nicht nur auf erzählte Träume im eigentlichen Sinn, sondern auf ein breites Spektrum traumanaloger Phänomene. Gegenstand der Untersuchung sind fiktionale Erzähltexte, die sich auf Erzählmuster psychologischer Falldarstellungen (Krankengeschichten) beziehen, wie man sie in Disziplinen wie Psychiatrie, Psychoanalyse etc. findet. Die zentrale Figur, die die psychische Krise durchlebt, ist in den untersuchten Erzählungen stets eine Dichter- bzw. Schriftstellerfigur. Das gesellschaftskritisch-utopische Anliegen der Künstlererzählung trifft auf das aufklärerische Erkenntnisversprechen der Krankheitsschilderung: Die 'Diagnostik' gilt hier nicht der Identifikation des individuellen Leidens, sondern dieses selbst verweist auf ein Größeres, Allgemeines; Traumarbeit ist hier nicht nach 'innen' gerichtet, sondern ein auf objektive Erkenntnis der Außenwelt gerichteter Denkvorgang: "Wirklichkeitsdiagnostik". Die zentralen Textbeispiele sind der im Psychiatriekontext spielende Roman "März" von Heinar Kipphardt (1976) um den "schizophrenen Dichter Alexander März" und der Prosazyklus "Schwindel. Gefühle." (1990) von W. G. Sebald, der die Tradition der Italienischen Reise mit Erzählmustern 'psychoanalytischer' Krankengeschichten kombiniert. ; Gefördert durch die DFG im Rahmen des Graduiertenkollegs "Europäische Traumkulturen" (GRK 2021), Universität des Saarlandes
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