Der Krake. Zur Aktualität eines Globalisierungs-Monsters
Als die Süddeutsche Zeitung im Januar 2014 eine Karikatur veröffentlicht, die das Antlitz des jüdischstämmigen Facebook-Gründers Mark Zuckerberg zeigt, gibt es einen handfesten Skandal. Auf der Karikatur ist das Antlitz Zuckerbergs als monströser Krakenkopf mit sich windenden Tentakeln zu sehen, die unzählige Computer und Smartphones umklammern. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts firmiert der Krake als Symbolfigur jedweder realer oder imaginierter Weltherrschaftsansprüche. Lange bevor der Globalisierungsbegriff geprägt wird, illustriert der Krake wirtschaftliche, finanzielle oder politische Globalisierungsprozesse. Je nach Staat, Regime oder Konzern, der angeprangert werden soll, trägt der Kopf des Kraken ein anderes Antlitz: Rothschild, Rockefeller, Stalin oder Hitler. Was macht den Kraken so attraktiv als Metapher für Globalisierung? Woran liegt es, dass er immer wieder Verwendung findet, und zwar, wie es scheint, unabhängig von den nationalen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnissen? Was also macht die enorme Faszination gerade dieser Metapher aus? Der Beantwortung dieser Fragen ist der geplante Essay gewidmet. Anhand der nationale und kulturelle Grenzen überschreitenden Kraken-Metapher soll versucht werden, eine bisher nicht existierende, historisch fundierte Theorie westlicher Globalisierungsmetaphorik zu skizzieren. Leitend wird hierbei die Frage sein: Was sind die metaphorischen, rhetorischen und narrativen Konstitutionsbedingungen unserer "Rede" über Globalisierung?