Beratungsszenarien. Inszenierungen der Entscheidungsfindung in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit, München (16.-18.2.2023)
16.–18.2.2023, Internationales Begegnungszentrum für Wissenschaft (IBZ), Amalienstr. 38, München
Beratungen sind seit jeher ein zentrales Instrument politischer Konsens- und Entscheidungsfindung. Die Funktionen und Leistungen von Beratung reichen weit über die Klärung von Sachfragen hinaus. Öffentlich sichtbare Beratung kann Konsens fördern, Ratsversammlungen integrieren Vasallen oder Bürger, sie stabilisieren locker strukturierte Herrschaftsverbände (Feudalsystem), sie können inkludierend nach innen und exkludierend nach außen wirken. Diese Dimension von formeller wie informeller Beratung liegt im Fokus der Tagung. Ausgehend von den volkssprachigen Literaturen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit fragen die Beiträge danach, wie Situationen formeller wie informeller Beratung in Szene gesetzt werden – narrativ wie dramatisch.
Sie legen ein Augenmerk besonders auf die Konstellationen und auf die Profilierung der Akteure als Typen. In Beratungssituationen treffen Machthabende (Fürst, Tyrann, Souverän, Volksvertreter, Demagoge) und Beratende (Favorit, Zofe, Erzieher, Experte) in unterschiedlichen Konfigurationen aufeinander; entsprechend vielfältig können die Interaktionsformen ausgestaltet (Ratsversammlung, Kemenatengespräch, Bettgespräch) und die Beratungen unterschiedlichen Funktionstypen zuzuordnen sein (Unterweisung, Mäeutik, falscher Rat, Einflüsterung, Intrige, Verführung).
Die einzelnen Beiträge fragen unter anderem danach, ob sich in verschiedenen Textfamilien und -reihen (Artusepik, Minne- und Aventiureromane, chanson de geste, Heldenepik, Tierepik) signifikante Unterschiede in den Darstellungen von formeller wie informeller Beratung beobachten lassen und welche Figurenprofilierung jeweils die beteiligten Akteure erfahren. Berücksichtigt werden dabei Beobachtungen zur Performanz in Ratsversammlungen, zu ihrer Theatralität und zu pararituellen Momenten.
Donnerstag, 16.2.
15.00-15.30 Jan Mohr (München / Bielefeld): Eröffnung und Einleitung
15.30-16.20 Franziska Wenzel (Frankfurt a.M.): Rat-Geben. Vom Risiko des Gelingens in der lyrischen Dichtung des Mittelalters
16.50-17.40 Bernd Bastert (Bochum) / Lina Herz (Hamburg): Zwischen Herrscherzorn und Gemeinschaftsentscheid. Beratungsszenarien in der Chanson de geste
17.40-18.30 Katharina Philipowski (Potsdam): Gute Ratgeber und schlechter Rat – das unübersichtliche Feld der Ratsszenen in der Dietrich-Epik
Freitag, 17.2.
10.00-10.50 Julia Stenzel (Mainz): Hervortreten und sprechen. Demagogische Beratung zwischen Stellvertretung und Paternalismus
10.50-11.40 Anton Bierl (Basel): Beratungsszenen in Homers ‚Ilias‘ als proto-politologischer Diskurs zwischen Konsenssuche unter Gleichen und der Dominanz Einzelner
12.10-13.00 Christiane Witthöft (Erlangen): Beratung und/als Kompromiss? Abwägungsprozesse und Urteilsfindungen in der mittelalterlichen Epik (‚Reinfried von Braunschweig‘ u.a.)
14.30-15.20 Coralie Rippl-Ulenhut (Zürich): Verantwortungsdiffusion und Geburt des Gewissens. Über Beratung in Hartmanns 'Gregorius' und 'Armem Heinrich'
15.20-16.10 Esther von Stosch (Köln): Mit Rat und Tat durch die Welt(en). Geratene Wege und differierende Ratgeberfiguren in mittelhochdeutschen und persischen Alexanderbearbeitungen
16.40-17.30 Brigitte Burrichter (Würzburg): Rat und Intrige in Chrétiens ‚Yvain‘
17.30-18.20 Christian Schneider (Osnabrück): Script und Handlung. Erzählen von Ratsszenen in frühhöfischer und Artusepik
Samstag, 18.2.
10.00-10.50 Jan Glück (München): Rat-Schläge. Handfeste Auseinandersetzungen, argumentative Verhandlungen und zeremonieller Konsens in tierepischen Beratungsszenen
10.50-11.40 Margreth Egidi (Paderborn): Satan als Heros und als Herrscher. Die höllische Beratungsszene in Miltons 'Paradise lost'
12.00-12.30 Abschlussdiskussion