An den Schnittstellen von Fakt und Fiktion. Formen und Funktionen dokufiktionalen Erzählens in der Gegenwart
Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der inflationären Rede von einem ‚postfaktischen Zeitalter‘ lässt sich in jüngster Vergangenheit im öffentlichen Diskurs ein immenser Wirklichkeitshunger beobachten, der als Gegenbewegung zum weit verbreiteten Gefühl einer zunehmend brüchigen Realität verstanden werden kann. Dieser neue Drang nach Wirklichkeit bezieht sich allerdings nicht nur auf Dispositive, die im gesellschaftlichen System traditionell für faktenbasierte Wirklichkeitserzählungen reserviert sind (wie z.B. der Journalismus oder die Politik), sondern er hält zunehmend auch in das Dispositiv der Kunst und ihre fiktionalen Spielformen Einzug.
So haben gegenwärtig Kinofilme oder TV-Produktionen, TV- und Web-Serien, literarische Texte oder Theaterinszenierungen Hochkonjunktur, die dokumentarische Darstellungsweisen und fiktionale Erzählformen bewusst miteinander verschränken und damit einen Brückenschlag zwischen fiktionaler Welt und nicht-fiktionaler Wirklichkeit vornehmen. Mit diesem Vorgehen kann eine ernsthafte Annäherung an eine zeitlich oder räumlich entfernte Realität ebenso beabsichtigt sein wie ein spielerisches Fortschreiben der Unentscheidbarkeit von Fakt und Fiktion.
All die vielen verschiedenartigen narrativen Inszenierungsweisen und Zugänge werden derzeit als ‚Dokufiktion‘ bzw. ‚dokufiktionales Erzählen‘ bezeichnet, weshalb der Begriff zwangsläufig mit einer semantischen Unschärfe verbunden ist. Diese Unschärfe möchte die geplante Tagung durch eine interdisziplinär gewonnene Konturierung des Begriffs mithilfe von Vorträgen zur Begriffsbestimmung und zu grundlegenden theoretischen Analyseansätzen aus der Narratologie, der Medienwissenschaft und der Intermedialitätsforschung ebenso beheben wie durch exemplarische Lektüren von literarischen, audiovisuellen, theatralen oder interaktiven Erzählformaten.
Donnerstag
Sektion 1: Theoriehorizonte
ab 13.00 Uhr: Check-in und Come together
14.00 Uhr: Isolde Meinhard: Grußwort
14.15 Uhr: Christine Lubkoll, Agnes Bidmon: Begrüßung und Einführung
Moderation: Christine Lubkoll
14.30 Uhr: Monika Schmitz-Emans (Bochum): Zwischen Fiktion, Dokufiktion und Metafiktion: Umberto Ecos Roman ll cimitero di Praga im Kontext seiner Recherchen zu den ‚Weisen von Zion‘
15.15 – 15.45 Uhr: Kaffeepause
Moderation: Harald Neumeyer
15.45 Uhr: Eva-Maria Konrad (Frankfurt a. M.): „Was aber feststand, waren ein paar Daten, Fakten“. ‚Dokufiktion‘ aus fiktionalitätstheoretischer Perspektive
16.30 Uhr: Michael Niehaus (Hagen): Erzählverfahren und Erzähltechniken dokufiktionalen Erzählens
18.30 Uhr: Gemeinsames Abendessen
Freitag
Sektion 2: Mediale Inszenierungen
Moderation: Agnes Bidmon
09.00 Uhr: Antonius Weixler (Wuppertal): Die Konstruktion von Wirklichkeit. Authentifizierungsstrategien in dokufiktionalem Erzählen
09.45 Uhr: Stephanie Catani (Saarbrücken): Kunst und Kritik. Das politische Kino Jafar Panahis
10.30 – 11.00 Uhr: Kaffeepause
Moderation: Sabine Friedrich
11.00 Uhr: Thomas Schröder (Innsbruck): Reality-TV und die Wirklichkeit. Überlegungen aus medienwissenschaftlicher Perspektive
11.45 Uhr: Daniel Schäbler (Hildesheim): Inszenierungsstrategien von Diskrepanz und Kongruenz. Eine Ökonomie des Wissens in dokufiktionalem seriellen Erzählen
12.30 – 14.00 Uhr: Mittagspause
Moderation: Charlotte Kurbjuhn
14.00 Uhr: Bernd Stiegler (Konstanz): Photo-Fiction. Photographien als Wirklichkeitssimulationen in literarischen Texten
14.45 Uhr: Thomas Wegmann (Innsbruck): In weiter Ferne wohl dagewesen. Interviews als Fiktionen des Wirklichen
15.30 – 16.00 Uhr Kaffeepause
Moderation: Victoria Gutsche
16.00 Uhr: André Studt/ Hans-Friedrich Bormann (Erlangen): Neuer Realismus – neue Illusionen? Kunst als Politik im Gegenwartstheater
16.45 Uhr: Stephanie Waldow (Augsburg): Das Politische im Roman der Gegenwart: Zwischen Fakt und Fiktion
18.00 Uhr: Podiumsdiskussion zum Thema ‚Fakt, Fake, Fiktion‘: Timur Vermes (Autor), Silke Steiner (Drehbuchautorin), Alexander Jungkunz (Journalist), Martin Hundhausen (Regionalgruppenleiter Scientists for Future); Leitung: Agnes Bidmon
19.30 Uhr: Gemeinsames Abendessen
Samstag
Sektion 3: Narrative und interaktive Verfahren
Moderation: Dirk Niefanger
09.00 Uhr: Markus Wiegandt (Leipzig): „If the kids are united...“ Geschichtsschreibung/ Geschichtenschreibung als literarischer Roundtable am Beispiel von Jürgen Teipels Doku-Roman Verschwende deine Jugend
09.45 Uhr: Carsten Gansel (Gießen): „Es ist eine Art seelischer Therapie“. Heinrich Gerlachs Dokumentarroman Odyssee in Rot (1966/2017) und seine zeitgenössische Rezeption
10.30 – 11.00 Uhr: Kaffeepause
Moderation: Aura Heydenreich
11.00 Uhr: Maren Conrad (Erlangen): Das Dokumentarische als interaktiver Wissens- und Erfahrungsraum? Dokumentarspiele zwischen musealer Wissensinszenierung und ludischer Immersion
11.45 Uhr: Vera Podskalsky (Freiburg): Jan Böhmermanns Unternehmen Reichspark – Satirische Mockumentaries in „postfaktischen“ Zeiten und ihre Bedeutung für faktuale Wahrheitsansprüche
12.30 Uhr: Schlussworte und Tagungsende
Die Tagung wird veranstaltet vom Department Germanistik der FAU Erlangen und findet statt im kreuz+quer (Bohlenplatz 1, 91054 Erlangen). Für weitere Informationen und Anmeldungen kontaktieren Sie bitte Dr. Agnes Bidmon (agnes.bidmon@fau.de).