Nackte Menschen in Literatur und Kultur der Moderne. Imaginationen, Praktiken und Epistemologien der Nacktheit vom 18. bis zum 20. Jahrhundert
Die Studie erarbeitet theoretische und historische Perspektiven einer Literatur- und Kulturgeschichte der Nacktheit vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Sie zeichnet nach, wie in der modernen Reflexion auf den nackten Körper eine Ebene lokaler Erlebensweisen und Wissensformen der Nacktheit mit einem globalen Referenzrahmen verschränkt werden und sich mit Vorstellungen des Fernen und Fremden (wie dem ‚nackten Wilden‘) verbinden. Dabei greift die Studie auf das kulturtheoretische Paradigma der Ähnlichkeit zurück, um zu zeigen, dass Nacktheit in der Literatur nicht nur Differenz und Alterisierung, sondern auch Kontinuitäten, Näherelationen und Überlappungen modelliert.
Dieses Programm einer europäischen und globalen Verflechtungsgeschichte verfolgt sie zum einen auf einer diskursiven Makroebene, auf der Wissensformen und kulturgeschichtliche Anschlüsse evident werden, etwa ihre Funktion zur Veranschaulichung von Wissen (‚nackte Wahrheit‘), aber auch ihre Distanzierungen in Raum und Zeit oder ihre Verflechtungen mit der Kolonial- und Geschlechtergeschichte; zum anderen untersucht sie auf einer textuellen Mikroebene, wie literarische Texte das Problem der Nacktheit auch ästhetisch und poetisch, also durch ihre Form, spiegeln, etwa an der dichotomen Zeichenstruktur, der Textilmetapher von Dichtung oder der Vorstellung einer progressiven Enthüllung von Sinn durch Text und Lektüre.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf deutsch- und französischsprachigen Texten, die durch ausgewählte antike und italienischsprachige Beispiele ergänzt werden. Durch diese komparatistischen Lektüren zeigt die Studie, dass die literarischen Figurationen der Nacktheit eine dem Akt in der Kunst vergleichbare herausgehobene Stellung einnehmen und die Epistemologien der Nacktheit stets auf den Entwurf einer ‚modernen Welt‘ zielen.