CfP/CfA events

Schwund – Absenz – Entzug, Bonn

Beginning
25.09.2024
End
27.09.2024
Abstract submission deadline
15.01.2024

Internationaler Workshop vom 25.–27. September 2024 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Schwund – Absenz – Entzug: Mithilfe dieser drei offensiv metaphorischen Konzepte möchte die Tagung den Dynamiken von Verschwinden und Emergenz, von Abwesenheit und Anwesenheit, von Exzess und Askese nachforschen, denen Kunst und Literatur ausgesetzt sind. Zugleich sollen die Bedingungen zur Frage stehen, unter denen Literatur und andere Künste diese Tendenzen des Entzugs und des Schwunds anschaulich machen. Wie werden – in aller vermeintlichen Paradoxie – Abwesendes und Abwesenheit sichtbar?

Insofern die Verhandlungen von Schwund, Absenz und Entzug im Bereich des Ästhetischen auf individuelle und gesellschaftliche Erfahrungen von Verlust oder Reduktion schließen lassen, können sie als Ausgangspunkt für eine Diskussion von spannungsvollen und oftmals störanfälligen Prozessen der Aushandlung von Sinn, von Selbst- und Wirklichkeitsverhältnissen oder von (politischer) Handlungsmacht dienen. Die Tagung ist also insbesondere an poetischen, ästhetischen, epistemologischen und politischen Perspektiven auf Phänomene des Schwundes, des Entzugs und der Absenz sowie deren Verschränkung interessiert.

Entsprechend sollen die Verfahren und (Denk-)Figuren untersucht werden, mit denen in Kunst und Literatur – aber auch in der Ästhetik und Kulturtheorie – Sinngenese und -verlust, Unverfügbares oder Abwesenheit verhandelt und zur Darstellung gebracht werden. Wir wollen unsere Begriffstrias einerseits im Rahmen eigenständiger Vorträge verhandeln und andererseits im breiteren Diskussionszusammenhang miteinander ins Verhältnis setzen, sie dabei präzisieren und auf ihre analytischen Potenziale hin abklopfen. Dabei sollen insbesondere vier Aspekte leitend sein:

Figur und Metapher: Wie wird Abwesenheit figuriert? Welche epistemische Funktion haben etwa der ‚Verschwundene‘ oder der ‚Verschollene‘? Welche Rolle spielen Körper(praktiken) des Schwunds und Entzugs, von denen z.B. die lange Literaturgeschichte der Schwindsucht beredt Zeugnis ablegt und an denen sich rezent die addiction studies interessiert zeigen? Auch in den Blick geraten Verhandlungen von Exzess und Abstinenz bis hin zu politischen Widerstandsformen des Handlungsentzugs. Zu diskutieren wären auch die Effekte von flüchtigen, ephemeren Substanzen (Rauch, Schaum) im Raum des Ästhetischen und wie diese Substanzen wiederum als Materialien oder Metaphern des Schwindens dienen.

Medien und Materialität: Wie und auf welchen Ebenen können Phänomene wie Schwund, Entzug und Absenz in konkreten medialen Konstellationen und Zirkulationsparadigmen auftreten? Welche Qualitäten muss ein Text besitzen, um (ver-)schwinden zu können? Welche Rolle spielen mediale und materiale Eigenschaften für den Entzug oder die Unverfügbarkeit von Artefakten, die als Effekte beispielsweise der Obsoleszenz von (Abspiel-)Geräten oder von Störeffekte und Rauschen auftauchen? Was geschieht beim Herunterbrechen technisch komplizierter Zusammenhänge auf einfache Bedienformeln (Interfaces etc.)? In welches Verhältnis ließen sich das Fragment bzw. fragmentarische oder fragmentierende Verfahren, aber auch Konzepte der Opazität mit Schwund, Entzug oder Absenz setzen? Gibt es Kunstformen oder auch einzelne Werke, die sich ihrem Publikum entziehen oder sich nicht archivieren lassen, mithin verschwinden? Und inwieweit ließe sich umgekehrt mit einem In-Erscheinung-Treten marginalisierter, verschwunden gemachter Diskursakteure rechnen, wenn archivalische Praktiken ausgesetzt werden oder aber ‚ihre‘ Daten Abundanzen produzieren (Anjalia Rondekar)?

Ästhetik und Form: Wie gehen die Ästhetik und die ästhetische Theorie mit sich entziehenden Formen oder sogar schwindender Form um? Oder lässt sich Form gar als Reduktion von Materialität statt als Verdichtung, als Verlust von Potentialität anstelle semantischer Überschüsse verstehen? Welche ästhetischen und theoretischen Ansätze lassen sich identifizieren, die sich dezidiert dem Schwund oder Entzug annehmen oder sich mit der Absenz ihrer Gegenstände auseinandersetzen? Welche anderen Zugriffe auf Geschichte(n) ermöglicht beispielsweise die ‚critical fabulation‘ (Saidiya Hartman), wenn sie sich verschwundener, historischer Existenzen im Modus faktualitätsgesättigter Fiktion annimmt?

Symptomatologie und (Kultur)theorie: Welche Rolle spielen Dynamiken von Schwund, Entzug und Absenz in unterschiedlichen Theorieformationen wie Psychoanalyse, (Post-/Neo-)Marxismus, Dekonstruktion, Gender- und Queer-Studies, Post- und De-Kolonialismus, Ecocriticism u.a.? Welche Diagnosen schwindender Sinngefüge und welche Reaktionen auf damit einhergehende ontologische Verunsicherungen werden hier historisch oder aktuell beobachtet? Und erlauben derlei Diagnosen ihrerseits Rückschlüsse auf soziale, kulturelle und ökonomische Dynamiken? Gibt es Narrative oder Geschichtskonzepte, die als die Rückseite der Medaille des Fortschritts, der Expansion, der Akkumulation, des Überschusses etc. zu begreifen wären? Wie wären beispielsweise der Trend zum Minimalismus (als (pseudo-)ökologischer Lifestyle von ‚decluttering‘ bis zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks) oder Degrowth-Ansätze in diesem Kontext einzuordnen? 

Themenvorschläge (Abstracts von maximal 300 Wörtern für 20-minütige Vorträge, an die sich jeweils ausführliche Diskussionen anschließen sollen, zzgl. einer Kurzvita) können bis zum 15.01.2024 an Jan Lietz (jan.lietz@fu-berlin.de), Judith Niehaus (jniehaus@uni-bonn.de), Marius Reisener (mreisene@uni-bonn.de) versendet werden.

Die Tagung wird vom 25.–27. September 2024 an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn stattfinden. Eine Finanzierung der Veranstaltung wird beantragt.

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Fields of research

Literary theory, Literature and cultural studies, Intermediality, Aesthetics, Rhetorical figure (allegory, symbol, metaphor)

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Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Date of publication: 01.12.2023
Last edited: 01.12.2023